Wolf mahnt Bamf zu mehr Sorgfalt
Schlecht abgeschlossene Asylverfahren belasten Verwaltungsrichter im Südwesten stark
- Richter und Justizministerium in Baden-Württemberg üben scharfe Kritik am Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Die Entscheidungen in Asylverfahren fallen demnach oft ohne eingehende Prüfungen. „Das Bundesamt hat einen beeindruckenden Output. Doch die Bescheide werden unserem Eindruck nach nicht immer mit der wünschenswerten Sorgfalt getroffen“, sagte Malte Graßhof, Präsident des Verwaltungsgerichts Sigmaringen, der „Schwäbischen Zeitung“. Das Bamf sei mitverantwortlich für die stark angestiegenen Zahlen von Klagen. Die Behörde selbst verweist darauf, dass prozentual heute in weniger Fällen gegen Bescheide geklagt wird als früher.
Graßhof leitet eines von vier Verwaltungsgerichten im Land. „Die Probleme sind überall dieselben“, bestätigt Robin Schray, Sprecher des Justizministeriums in Stuttgart. So ist die Zahl der Asylverfahren landesweit von 9266 im Jahr 2015 auf 18 234 im Folgejahr gestiegen. Vor allem die arbeitsintensiven Klageverfahren nahmen stark zu. Und die Zahlen steigen weiter. In Sigmaringen haben sich die Eingänge allein von Februar auf März auf mehr als 570 verdoppelt. Personal habe er noch genug, betont Graßhof, der zuletzt ein Drittel mehr Richter bekommen hat. Doch ihn ärgert, wie das Bundesamt arbeitet – oder arbeiten muss. In der Justiz herrscht der Eindruck vor: Unter dem Druck der Politik muss das Bamf seine Verfahren so schnell wie möglich abschließen. Dabei bleibt die Sorgfalt auf der Strecke. Das sieht auch Justizminister Guido Wolf (CDU) so. „Es ist eine problematische Rollenverteilung, wenn das Bamf in erster Linie seine Erledigungszahlen im Blick hat und die Sachverhaltsaufklärung in weitem Umfang den Verwaltungsgerichten überlässt“, sagt er.
Aus Sicht der Juristen gibt es mehrere Problemfelder. Erstens bereite das Bamf Entscheidungen schlecht vor. Man öffne so die Tür für Klagen, weil die Bescheide leichter anfechtbar seien. Und die Verfahren sind aufwendig, weil die Richter Fakten mühsam recherchieren müssen. Dadurch können die Gerichte selten nach Aktenlage entscheiden, müssen aufwendige mündliche Verhandlungstermine anberaumen.
Das Bamf sieht das anders. Von über 695 700 Bescheiden im Jahr 2016 habe ein Viertel der Betroffenen gegen das Bamf geklagt. 2013 lag diese Quote bei über 46 Prozent, 2014 bei 40, 2015 hingegen nur bei 16 Prozent. „Vor diesem Hintergrund besteht für das Bundesamt derzeit kein genereller Grund, die Zahl der Klagen in Verbindung mit der Qualität der Entscheidungen zu bringen“, teilt die Nürnberger Behörde mit.
Verwaltungsrichter Graßhof nennt eine Ursache für die aus seiner Sicht schlechten Entscheidungen. Derzeit hört ein Bamf-Mitarbeiter die Asylbewerber persönlich an. Einer der 2550 Bamf-Entscheider sichtet das Protokoll und entscheidet den Fall. Graßhof kritisiert: „Das ist nicht sinnvoll“. Der persönliche Eindruck sei sehr wichtig, um zu beurteilen, ob ein Betroffener glaubhaft ist. Das Bamf vereidigt dieses Vorgehen. Nur dank dieses Verfahrens sei die Zahl der Entscheidungen zuletzt gestiegen, man habe durchaus auf Qualität geachtet. „Wenn es sinnvoll ist und die Organisation es zulässt, werden wir das Verfahren wieder umstellen. Teils liegen Anhörung und Entscheidung schon wieder in einer Hand“, so ein Sprecher.
Desinteressiertes Verhalten
Ein weiteres Problem der Justiz mit dem Bamf beschreibt Minister Wolf so: „Das Bamf zeigt sich am Fortgang der Asylverfahren vor den Verwaltungsgerichten wenig interessiert. Anfragen bleiben nicht selten unbeantwortet, Akten werden teils trotz mehrfacher Aufforderung nicht übersandt und ein telefonischer Kontakt ist praktisch ausgeschlossen.“Normalerweise stehen Gerichte und Behörden in engem Kontakt, das beschleunigt die Verfahren.
Bei der Frage, welchen Schutz Menschen aus Syrien genießen, verursacht das Vorgehen des Bamf derzeit besonders viel Unmut in der Justiz. Es geht dabei darum, ob Syrer eine volle Anerkennung als Flüchtling bekommen oder nur subsidiären Schutz (siehe Kasten). 2016 drehten sich ein Viertel aller Klagen gegen Bamf-Bescheide um diese Frage. Juristen fordern, zunächst eine Grundsatzentscheidung der Gerichte dazu abzuwarten. Andernfalls sei es für alle unteren Instanzen schwierig, Entscheidungen zu treffen, die nicht direkt wieder angefochten werden. „Das Bamf könnte zum Beispiel zunächst nur entscheiden, ob ein Syrer überhaupt Schutz bekommt und nach einem Urteil dazu dann die Frage, welche Art“, schlägt Graßhoff vor. „Aber wir vermissen derzeit jede Bereitschaft beim Bamf, über Alternativen bei diesen Verfahren nachzudenken.“Die Behörde wiederum sieht sich auf dem richtigen Weg: „Ein großer Teil der Obergerichte hat die Entscheidungen des Bamf in diesen Fragen bereits bestätigt.“