Mit Mamas Hilfe durch die Abi-Prüfungen ?
Für drei Stunden Abiturprüfung: mindestens drei Vesperbrote, eine Box mit Nüssen (gut für die Konzentration), mundgerechtes Obst, Traubenzucker für den Endspurt und ein Mäppchen mit mindestens 50 Ersatzstiften. Dazu diverse Glücksbringer und Mamas Autoschlüssel, damit ich nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu den Abitur-Prüfungen fahren musste. Fremde Menschen hätten sicherlich meine innere Balance zerstört, glaubte Mama. Zurückgespult zu den Vorbereitungen: Jede Mathe-Nachhilfestunde trieb mich in den Wahnsinn, aber Mama hat es mit ihrer Rundumbetreuung geschafft, mir meine innere Ratlosigkeit zu nehmen. Wer es gewagt hat, zwei Wochen vor der Abiturprüfung auch nur in die Nähe meines Kinderzimmers zu kommen, das zu einem Lerntempel umfunktioniert wurde, der wurde verjagt. Mein Bruder übernahm alle meine Abspüldienste, für mich gab es stattdessen Konzentrationsübungen und Zuspruch. Wochenlang vor den Abi-Prüfungen hat Mama täglich eine Kerze angezündet, die den lieben Gott daran erinnern sollte, mir die geistige Eingebung noch rechtzeitig zum Prüfungsstart zu schicken. Ich glaube, mein Abitur war eine schwere Geburt, vielleicht sogar deine schwerste, Mama? Danke, dass du selbst der beste Abiturvorbereitungskurs warst.
Es dürfte hinlänglich bekannt sein, dass das Abitur auch als Reifeprüfung gilt. Welche eigenartige Bedeutung „Reife“für manche Eltern zu haben scheint, ist mir bis heute schleierhaft geblieben. Da sollen sich Sprösslinge mit wegweisenden Werken der deutschen Literatur herumschlagen, obwohl ihnen die eigenen Eltern seit zwölf Jahren den Gang zur Schule nicht zutrauen. Oder gar den zu den Prüfungsräumen, die liegen ja auch noch in abgelegenen Gebäudetrakten. Familienprojekt Abitur, für mich der personifizierte Alptraum. Zwischen mir und meinen Eltern galt der nie geäußerte Konsens: Ihr stört mich und mein Abi nicht und mein Abi und ich werden euch nicht stören. Sehr zu empfehlen. Ein gewisses Maß an Eigenverantwortung ist bei der Prüfungsvorbereitung nämlich deutlich mehr wert, als von Mami bereitgelegter Traubenzucker. Im Zweifel ist dem Resultat von zwölf Jahren Unverständnis und Desinteresse im Matheunterricht jetzt sowieso nicht mehr beizukommen. Vor allem nicht durch Eltern, die vom abiturrelevanten Stoff ungefähr so viel verstehen wie von der eigenen Steuererklärung: erschreckend wenig. Da hilft man sich lieber selbst, sonst geht es so daneben wie meine Mathehausaufgabe in der sechsten Klasse, bei der ich mir zum ersten und letzten Mal Papas Hilfe geholt habe.
Danke Mama! Du hast mein mein Abitur gerettet! Von Eva-Maria Peter
Mein Abi schreibe ich lieber alleine! Von Lea Hüttenhofer