Der Calcio in der Rassismusfalle
Ex-Bayer und Juve-Verteidiger Medhi Benatia während eines Interviews übelst beleidigt
(SID) - Mario Balotelli, KevinPrince Boateng, Antonio Rüdiger, Sulley Muntari und Medhi Benatia – fünf Fußballstars, vier Schicksale und vier Rassismus-Vorkommnisse in Italien. Der derzeit vom FC Bayern München an Juventus ausgeliehene Benatia ist der vorläufig letzte Kicker, der unter rassistischen Auswüchsen im Calcio zu leiden hat.
Benatia hatte am Samstag während einer Live-Schalte nach dem 1:1 im Derby gegen den FC Turin das Interview mit dem italienischen öffentlichrechtlichen Sender RAI empört abgebrochen. Aus dem Hintergrund war eine männliche Person zu hören, die ihn als „Scheiß Marokkaner“verunglimpfte. Bislang konnte der Verursacher der Beleidigung noch nicht gefunden werden. Der Sender dementierte, dass ein RAI-Mitarbeiter für den Vorfall verantwortlich sei, versicherte aber, den Vorfall mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln klären zu wollen und entschuldigte sich bei Benatia sowie dem Club.
Der 30-jährige Verteidiger, der nach zwei Jahren in München unbedingt nach Italien zurückkehren wollte und am Dienstag im ChampionsLegaue-Halbfinale mit Juventus auf Monaco trifft, zeigte sich verbittert. „Italien ist ein Land, das seit Jahren in meinem Herzen ist. Leider gibt es eine intolerante Minderheit. Ich bin Marokkaner und extrem stolz auf mein Land“, sagte Benatia. Solidarisch mit Benatia zeigte sich der Trainer des FC Turin, Sinisa Mihajlovic. Er selbst sei immer wieder Opfer rassistischer Vorfälle, sagte der Serbe. „Ein Fan hat mich als Zigeuner bezeichnet.“
Erst letzte Woche war Muntari in die Schlagzeilen geraten. Der Ghanaer hatte vom Disziplinarausschuss der Serie A wegen eines „nicht regulären Verhaltens“eine Ein-Spiel-Sperre erhalten, nachdem er in der Partie bei Cagliari Calcio (0:1) aus Protest gegen rassistische Beleidigungen das Spielfeld vor dem Schlusspfiff verlassen hatte. Die Sperre wurde später aufgehoben. Italiens Verbandschef Carlo Tavecchio setzte sich vehement für Muntari ein. Allerdings: Auch dieser war in Bezug auf Rassismus schon kräftig ins Fettnäpfchen getreten. „In England schaut man sich Spieler genau an, wenn sie kommen. Sie müssen Lebenslauf und Stammbaum vorzeigen. Bei uns bekommen wir einen Opti Poba, der vorher Bananen gegessen hat und dann plötzlich in der ersten Mannschaft von Lazio spielt“, hatte er 2014 gesagt. Die UEFA sperrte Tavecchio für sechs Monate.
Auch der gebürtige Berliner KevinPrince Boateng, Halbbruder von Weltmeister Jérôme, wurde während seiner Zeit beim AC Milan Opfer von rassistisch motivierten Angriffen. Am 3. Januar 2013 hatten Fans des Viertligaclubs Pro Patria während eines Testspiels Boateng so lange provoziert, bis er in der 26. Minute entnervt den Platz verließ und seine Teamkollegen ihm anschließend folgten. Für seine Reaktion hatte Boateng weltweit Zuspruch erhalten. trat sogar bei der UNO auf. Der frühere Stuttgarter Rüdiger, mittlerweile AS Rom, wurde von Anhängern des Stadtrivalen Lazio aufs Übelste beleidigt. Mario Balotelli, italienischer Nationalspieler mit ghanaischen Wurzeln und mittlerweile in Nizza beschäftigt, musste sich immer wieder Affenlaute von den Tribünen anhören. Der Calcio ist in der Rassismusfalle.