Heuberger Bote

Wider das Vergessen

Dokumentar­film über die NSU-Morde: „6 Jahre, 7 Monate und 16 Tage“

- Von Sabine Dobel

ie Mordserie des NSU hat Deutschlan­d erschütter­t. Nun neigt sich der Prozess gegen die mutmaßlich­e Mittäterin Beate Zschäpe dem Ende zu. An die Morde, an die Ermittlung­spannen und an die Schicksale der Opfer mit ihren Familien erinnert zum vierten Jahrestag ein Kinofilm.

Die Tatorte, in Schwarz-Weiß. Viel Zeitlupe. Lange Passagen nur von Musik getragen. Regisseur Sobo Swobodnik befasst sich in seiner Dokumentat­ion mit den Morden der rechtsextr­emen Terrorzell­e „Nationalso­zialistisc­her Untergrund“. „6 Jahre, 7 Monate und 16 Tage“erzählt die Geschichte­n der Opfer, zitiert Aussagen von Angehörige­n und zeigt dabei auch die eine oder andere Facette in der Persönlich­keit der Ermordeten. Diese lebten teils seit Jahrzehnte­n in Deutschlan­d und verdienten ihren Lebensunte­rhalt als Schneider, Gemüsehänd­ler, Schlüsseld­ienstbetre­iber oder Imbissbude­nbetreiber.

6 Jahre, 7 Monate und 16 Tage vergingen vom ersten Mord an dem Blumenhänd­ler Enver Simsek bis zur Ermordung der Polizistin Michèle Kiesewette­r in Heilbronn am 25. April 2007. Semiya Simsek, Tochter des ersten Opfers, berichtet, die Ermittler hätten ihrer Mutter das Bild einer blonden Frau gezeigt, die angebliche Geliebte des Vaters, „um das Vertrauen in der Familie zu zerstören“. „Meine Mutter ist auf den Trick nicht reingefall­en.“Ihre Eltern hätten höchstes Vertrauen zueinander gehabt.

Angehörige mussten Speichelpr­oben abgeben, die Ermordeten wurden in die Nähe von Drogenhand­el, Mafia, illegalen Wetten gerückt. Das Wort „Dönermorde“verschwand erst aus der Berichters­tattung, als mit dem Tod von Böhnhardt und Mundlos der rechtsextr­eme Hintergrun­d der Taten erwiesen war. Untersuchu­ngsausschü­sse hatten versucht, das Versagen der Behörden bei den Ermittlung­en aufzukläre­n. Bis heute ist unklar, was gut bezahlte V-Männer aus der rechten Szene wussten. Als Halit Yozgat am 6. April 2006 in seinem Kasseler Internetca­fé erschossen wurde, war ein Mitarbeite­r des hessischen Verfassung­sschutzes im Nebenraum.

Die Aussagen und Zitate stammen allesamt aus Medienmeld­ungen, Ermittlung­sprotokoll­en oder Prozessaus­sagen, Schauspiel­er des Berliner Ensembles sprechen sie. Eigene Recherche mit neuen Fakten bietet der Film nicht. Aber er erinnert. Über die Jahre sind Details in Vergessenh­eit geraten, die Opfer und ihr Schicksal aus dem Rampenlich­t der Öffentlich­keit verschwund­en. (dpa)

 ?? FOTO: DPA ?? Ein Schild zur Erinnerung an ein Opfer des NSU, Enver Simsek, an einer Absperrung vor dem Oberlandes­gericht in München.
FOTO: DPA Ein Schild zur Erinnerung an ein Opfer des NSU, Enver Simsek, an einer Absperrung vor dem Oberlandes­gericht in München.

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