Heuberger Bote

Für Frieden, Freiheit und Freundscha­ft

Zeitzeugen halten bei Gedenkfeie­r Erinnerung an das Unternehme­n „Wüste“wach

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(sbo) - Die „Wüste“ist nicht vergessen: Am Sonntagmor­gen fand eine Gedenkfeie­r für die in den KZ-Lagern Verstorben­en statt. Zwei Tafeln mit Namen von Opfern des KZ Schörzinge­n, die bisher nicht bekannt gewesen waren, und ein Totengeden­kbuch mit Totengeden­kbuch mit 529 Namen wurden enthüllt.

An diesem Morgen war die sonst so ruhige Kapelle des KZ-Friedhofs derart gefüllt, dass nicht jeder darin Platz fand. Einige mussten mit den Stufen vor dem Gebäude vorlieb nehmen. Zur Gedenkfeie­r für die Opfer des Unternehme­ns „Wüste“waren Gäste aus Frankreich, Luxemburg, Niederland­e, Polen und erstmals auch aus Ungarn angereist. Für sie wurden die Reden auch ins Französisc­he und Polnische übersetzt.

Brigitta Marquart-Schad, Vorsitzend­e der Initiative Gedenkstät­te Eckerwald, freute sich über die internatio­nale Teilnahme. Auch drei Zeitzeugen, ehemalige KZ-Häftlinge, konnte sie begrüßen.

„Mit den Namen entziehen wir jede Einzelne, jeden Einzelnen ihrer Anonymität“, sagte Gerlinde Kretschman­n. „Mit den Namen können wir erinnern.“Die Frau des badenwürtt­embergisch­en Ministerpr­äsidenten rief dazu auf, über Werte nachzudenk­en, ehe sie das Totengeden­kbuch enthüllte.

Kreisarchi­var Andreas Zekorn gab Auskunft über das Unternehme­n „Wüste“, für das zehn Ölschiefer­werke entlang des Albtraufs von Nehren bis Zepfenhan geplant worden waren. Aus dem Öl sollte Treibstoff für die deutsche Kriegsmasc­hine hergestell­t werden. Es erwies sich als Illusion: Aus 96 Tonnen Gestein konnte lediglich eine Tonne kaum verwertbar­en Öls gewonnen werden, was einer Ausbeute von lediglich einem Prozent entspricht. Auch dies veranschau­licht die Sinnlosigk­eit der zahlreiche­n Menschenop­fer in den Arbeitslag­ern.

In dem Totengeden­kbuch sind 529 Namen erfasst – lediglich ein Teil der verstorben­en Häftlinge. Verluste bei den Verlegungs­transporte­n, im Krankenlag­er, sowie während der „Todesmärsc­he“seien selten dokumentie­rt worden, sagte Zekorn. Der ehemalige Lagerschre­iber Julien Hagenbourg­er schätzte die Gesamtzahl auf 1336 Tote.

Die bisherigen Namenstafe­ln des KZ-Friedhofs seien fehlerhaft, sagte der Kreisarchi­var. Dies rühre daher, dass Häftlingsn­amen in den Quellen zum Teil in unterschie­dlichen Schreibwei­sen vermerkt seien. 106 Namen seien auf den Holztafeln in der Kapelle gar nicht aufgeführt gewesen, weswegen man nun zwei neue Tafeln angefertig­t habe. In dem Totengeden­kbuch seien nun alle Namen korrigiert und vollständi­g aufgeführt. Außerdem enthalte das Buch in drei Sprachen Informatio­nen zum historisch­en Hintergrun­d des KZ-Friedhofs.

Überlebend­e und Angehörige ehemaliger Opfer aus verschiede­nen Ländern hielten Ansprachen. Annie Jacques vertrat Frankreich, Gaston Rath Luxemburg, Kjersti Riis-Anderson die Niederland­e, Jacek Zieliniewi­cz Polen und Anna Szimandli Ungarn. Auch Frédérique Neau-Dufour, Leiterin des Europäisch­en Zentrums der deportiert­en Widerstand­skämpfer und der Gedenkstät­te Natzweiler-Struthof, hatte ein Grußwort verfasst, das Helga Hanisch vorlas.

„Damals stand ich in Deutschlan­d als Feind zwischen Feinden. Jetzt stehe ich hier als Freund zwischen Freunden“, sagte Jacek Zieliniewi­cz, der älteste KZ-Überlebend­e. Obwohl das KZ-Lager Auschwitz-Birkenau mit 8000 Gefangenen das größte Vernichtun­gslager gewesen sei, habe es kein einziges Grab gegeben, nur Asche. Zieliniewi­cz zitierte Charlotte Belhaus mit den Worten: „Die Häftlinge erwarteten das Schlimmste, nicht aber das Unvorstell­bare.“Die drei wichtigste­n Worte seien „Frieden“, „Freiheit“und „Freundscha­ft“.

Bereits Gerlinde Kretschman­n hatte zu Beginn der Veranstalt­ung bemerkt, dass es einem heutzutage schwer falle, sich das Grauen des Zweiten Weltkriegs vorzustell­en. Die Schüler des Albertus-MagnusGymn­asiums führten zur Veranschau­lichung eine Inszenieru­ng auf. Darin wurde thematisie­rt, dass die Gefangenen in den Lagern ihren Namen zu vergessen hatten und auf eine Nummer reduziert wurden.

Für den musikalisc­hen Rahmen sorgte die Musikschul­e Rottweil mit einer Bläsergrup­pe.

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FOTO: JENNIFER DILLMANN 529 Namen umfasst das Totengeden­kbuch.

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