Zu wenig Energie für Menschenrechte
Germanwatch und Misereor prangern Auslandsgeschäfte deutscher Konzerne an
- Die Entwicklungsund Umweltorganisation Germanwatch und das kirchliche Hilfswerk Misereor werfen deutschen Konzernen vor, sich bei ihren Auslandsgeschäften nicht genug um die Einhaltung von Menschenrechten zu kümmern. Das geht aus der Studie „Globale Energiewirtschaft und Menschenrechte – Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand“hervor, die am Mittwoch von beiden Organisationen vorgestellt wurde.
Zu den Unternehmen, die nach Auffassung von Germanwatch und Misereor, in Geschäfte verwickelt sein sollen, bei denen Menschenrechte verletzt oder gefährdet werden, gehören auch etliche Firmen aus dem Südwesten: Der Karlsruher Energieversorger EnBW, der Heidenheimer Technologiekonzern Voith und der österreichische Maschinenund Anlagenbauer Andritz, der unter anderem in Ravensburg einen Standort unterhält.
Die Studie dokumentiert mehr als zehn Fälle, bei denen diesen und anderen Unternehmen die Missachtung ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht vorgeworfen wird. Die Firmen wiesen die Vorwürfe zurück.
So lieferte etwa Voith Hydro Turbinen, Generatoren und Steuerungsanlagen an der Wasserkraftprojekt Agua Zarca in Honduras. Dieses stieß seit seiner Bekanntgabe im Jahr 2011 auf starke Proteste, da es den Zugang zu einem Fluss gefährdet, der lokale indigene Völker mit Wasser und Nahrung versorgt. Dokumentiert sind Repressionen durch Polizei und Militär gegen die Widersacher des Projekts, sechs Umweltaktivisten wurden ermordet. „Es gibt keine Hinweise darauf, dass Voith Hydro im Vorfeld seiner Projektbeteiligung am Wasserkraftwerk Agua Zarca eine menschenrechtliche Risikoanalyse oder gar eine Folgeabschätzung durchgeführt hat“, schreiben die Autoren der Studie Cornelia Heydenreich (Germanwatch) und Armin Paasch (Misereor).
Lieferungen gestoppt
Mit den Vorwürfen konfrontiert ließ Voith Hydro mitteilen, dass die Risikoanalyse in „der Verantwortung der jeweiligen Kraftwerksbetreiber“liege und Zulieferer wie Voith in den entsprechenden Beurteilungen nicht involviert seien. Außerdem habe Voith im vergangenen Jahr alle Lieferungen für Agua Zarca gestoppt und verurteile jede Art von Gewalt und gesetzwidrigem Verhalten.
Dem Energieversorger EnBW werfen Germanwatch und Misereor vor, rund ein Fünftel seines Steinkohlebedarfs aus den kolumbianischen Minen des US-Konzerns Drummond zu importieren. Drummond habe jahrelang eine paramilitärische Einheit in Kolumbien unterstützt, die mehr als 3000 Menschen auf dem Gewissen hat, und sei in die Ermordung mehrerer führender Gewerkschafter verwickelt, schreiben die Studienautoren. Dies hätten ehemalige Paramilitärs unter Eid ausgesagt. Während Wettbewerber wie die dänische Dong Energy, die italienische Enel oder die Essener Steag angesichts dieser Vorwürfe nicht mehr bei Drummond einkauften, mache EnBW weiter.
Auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“teilte EnBW mit, dass „der Anteil der von Drummond bezogenen Kohle etwas unterhalb von zehn Prozent lag“. Ein Unternehmenssprecher konterte die Kritik mit dem Hinweis, dass sich die EnBW seit Jahren für eine verantwortungsvolle Brennstoffbeschaffung engagiere und als erstes Unternehmen die gesamte Bezugskette offengelegt habe. Zudem erkenne man bei den großen kolumbianischen Kohleproduzenten „deutliche Verbesserungen mit Blick auf Umweltschutz, Arbeitsschutz, Gewerkschaftsrechte und die Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen“. Unter der Voraussetzung, dass Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllt würden, werde die EnBW daher weiterhin Kohle aus Kolumbien beziehen. Ein Stopp der Kohlelieferungen sei weder für die Mitarbeiter vor Ort noch für das Land hilfreich.
„Der Energiesektor hat seit langem den Ruf, eine Branche zu sein, in der es immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen kommt“, prangern Primin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von Misereor, und Christoph Bals, Geschäftsführer von Germanwatch, an. Seit 2011 seien zwar alle Staaten aufgefordert, die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte auf nationaler Ebene umzusetzen. Doch Deutschland wehre sich nach wie vor gegen gesetzliche Regelungen.