Atommüll-Staatsfonds geht an den Start
Energiekonzerne und Staat besiegeln Vertrag zur Finanzierung der Kosten des Atomausstiegs
- Mit fünf Unterschriften ist am Montag Nachmittag ein Kapitel der deutschen Energiepolitik beendet und ein neues aufgeschlagen worden. Im Wirtschaftsministerium in Berlin haben die Chefs der vier deutschen Energieversorger Eon, RWE, Vattenfall und EnBW sowie Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD), stellvertretend für die Bundesrepublik Deutschland, den Vertrag über die Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung des Atommülls unterzeichnet.
Damit heißt es Start frei für den neuen Atommüll-Staatsfonds, der ab dem 1. Juli die von den Konzernen eingezahlten rund 24 Milliarden Euro in den nächsten Jahrzehnten sicher und gewinnbringend anlegen soll. Im Gegenzug werden die Energieversorger von weiteren Atommüll-Forderungen entbunden. Die Verantwortung für die Zwischenlagerung sowie für die Suche, den Bau und den Betrieb eines Endlagers für radioaktive Abfälle geht damit an den Staat über.
24 Milliarden Euro Ablöse
Der Vertrag ergänzt das Gesetz zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung, das nach der Zustimmung durch die EU-Kommission am 16. Juni in Kraft getreten ist. Auf rund zwei Dutzend Seiten sind darin vor allem die Modalitäten des neuen Fonds und seiner Finanzierung geregelt. Für die Konzerne bedeutet das Rechtssicherheit, denn anders als Gesetze kann das öffentlich-rechtliche Abkommen nicht einseitig von einer Partei abgeändert werden.
Bis zum Montag nächster Woche, das ist der erste Banktag nach dem Stichtag 1. Juli, müssen die Betreiber für jeden der von ihnen verantworteten Reaktorblöcke zuvor ermittelte Beträge an den Staatsfonds überweisen. Neben den bis dato gebildeten Rückstellungen von 17,4 Milliarden Euro kommt noch eine Risikoprämie von 35 Prozent hinzu, die Kostenund Zinsrisiken abdecken soll, die später auf den Bund entfallen könnten – in Summe rund 24 Milliarden Euro.
Im Gegenzug verpflichten sich die Konzerne, ihre Rechtsstreitigkeiten mit dem Staat im Zusammenhang mit der Entsorgung des radioaktiven Abfalls und dem Atomausstieg zu beenden. Der Vertrag schaffe sowohl für den Bund als auch für die Unternehmen „sehr langfristige Rechtssicherheit“, sagte Zypries.
EnBW halbiert Finanzanlagen
Für den Karlsruher Energieversorger EnBW beläuft sich die Gesamtrechnung auf 4,8 Milliarden Euro. Wie EnBW-Finanzchef Thomas Kusterer anlässlich der Bilanzpressekonferenz Ende März erklärte, wolle die EnBW am 1. Juli „Rückstellungen und Risikoprämie auf einmal an den Staat übertragen“.
Das finanzielle Polster dafür hat die EnBW. Zum Jahresende 2016 wies der Konzern Finanzanlagen zur Deckung der Rückstellungen im Volumen von zehn Milliarden Euro in der Bilanz aus. Deshalb, so Kusterer damals, sei eine Fremdfinanzierung, Kapitalerhöhung oder Inanspruchnahme von Ratenzahlungen für die EnBW nicht nötig.
In der Konsequenz werden die Finanzanlagen durch die Umsetzung des Gesetzespakets nun allerdings halbiert. Kusterer wies jedoch darauf hin, dass der verbleibende Betrag zur Deckung der übrigen Verpflichtungen, insbesondere der Pensionsverpflichtungen, ausreichend sei und die EnBW nicht auf das operative Geschäft zugreifen müsse.