Verbot für einen Verbündeten
Türkei protestiert heftig gegen deutsches Nein zu Erdogan-Auftritt
- Die Türkei hat mit heftigem Protest auf das Nein der Bundesregierung zu einer Veranstaltung von Präsident Recep Tayyip Erdogan am Rande des G20-Gipfels in Hamburg kommende Woche reagiert. Die Absage sei inakzeptabel, erklärte EU-Minister Ömer Celik auf Twitter. „Einige deutsche Politiker“machten sich bei den Themen der Versammlungsund Meinungsfreiheit der Heuchelei schuldig und verfolgten lediglich ihre eigenen innenpolitischen Ziele.
Das türkische Außenamt sprach ebenfalls von einer „bedauerlichen“Reaktion Berlins und zeigte sich besonders verärgert über den SPDKanzlerkandidaten Martin Schulz. Der ehemalige EU-Parlamentspräsident habe sein wahres Gesicht gezeigt. Auch regierungsnahe Medien in der Türkei reagierten mit Empörung. In der Onlineausgabe der Zeitung „Star“war von einem „Skandal“und einer „Frechheit“der Deutschen die Rede.
Damit eskaliert der seit Monaten anhaltende deutsch-türkische Streit erneut. Mit den Wortgefechten über türkische Politikerauftritte in der Bundesrepublik, über die Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten in der Türkei, das Besuchsverbot für deutsche Politiker auf der Luftwaffenbasis Incirlik und über den von Ankara beklagten Schutz angeblicher türkischer Staatsafeinde in Deutschland brechen sich grundsätzliche Interessensgegensätze Bahn. Die Türkei beansprucht für sich eine größere internationale Rolle und sieht sich von Deutschland und anderen westlichen Partnern allein gelassen.
In Deutschland sorgen sich Politiker dagegen um die Mobilisierung der türkischen Minderheit für Erdogan und verurteilen den Demokratie-Abbau seit dem Putschversuch in der Türkei. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel sprach diese prinzipiellen Differenzen mit den Worten an, die in der Bundesrepublik lebenden Türken gehörten zu Deutschland und sollten nicht „aufgewiegelt“werden.
Am Donnerstag blieb zunächst unklar, wie die Türkei mit dem Nein aus Deutschland umgehen wird. Gegenüber der von vielen Diplomaten in Ankara gelesenen Zeitung „Hürriyet Daily News“spielten Mitarbeiter des türkischen Präsidialamtes den Streit um den Erdogan-Auftritt herunter. Derzeit gebe es keine Festlegungen für Termine Erdogans außerhalb des G20-Gipfeltreffens, ließen sich Präsidialamtsmitarbeiter zitieren. Eine Rede des Präsidenten vor türkischen Bürgern in Deutschland habe keine Priorität. Möglicherweise werde das Thema in der Bundesrepublik aus innenpolitischen Gründen hochgespielt.
Erdogan selbst äußerte sich zunächst nicht. Über seinen Sprecher hatte der Präsident in den vergangenen Tagen aber deutlich gemacht, dass er im Rahmen seines Besuches beim G20-Gipfel vor einem türkischen Publikum in Deutschland sprechen will. Ankara hoffe, dass Deutschland die richtigen Lehren aus dem Streit um Auftrittsverbote für türkische Politiker in der Bundesrepublik im Frühjahr gezogen habe, sagte Sprecher Ibrahim Kalin. Damals hatte Erdogan den Deutschen Nazi-Methoden vorgeworfen. Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte im März das deutsche Auftrittsverbot für türkische Regierungspolitiker mit einer Rede in der Residenz des türkischen Generalkonsuls in Hamburg umgangen; diplomatische Vertretungen eines Landes in einem anderen Staat gelten als extraterritoriales Gebiet und sind daher der Kontrolle der Behörden des jeweiligen Gastlandes entzogen. Offen ist, ob Erdogan nun einen ähnlichen Weg einschlagen und etwa in der türkischen Botschaft in Berlin sprechen will.