Konservativer Glaubenswächter entmachtet
Kardinal Müller muss seinen Posten als Präfekt der Glaubenskongregation räumen
- Kardinal Gerhard Ludwig Müller ist nicht mehr oberster Glaubenshüter der katholischen Kirche. Papst Franziskus hat die am 2. Juli auslaufende Dienstzeit des 69-jährigen Deutschen nicht verlängert. Zum Nachfolger Müllers wurde der spanische Jesuitenerzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer aus Mallorca ernannt (siehe „Zur Person“auf der rechten Seite) – der 73-Jährige berät den Papst bereits seit 2013 in geistlichen Fragen.
Diese wichtige Personalentscheidung deutet darauf hin, dass in Zukunft die Zusammenarbeit zwischen dem Papst und seiner Glaubenskongregation entspannter wird, denn zwischen Müller und Franziskus standen die Dinge nicht besonders gut; Müller gilt als konservativer Hardliner.
Von Papst Benedikt XVI. ernannt
In einem Interview erklärte Müller vor zwei Jahren, dass die Aufgabe seiner Kongregation darin bestehe, „dass wir dem Heiligen Vater in seinem Lehramt dienen und uns um Delikte gegen den Glauben oder die Heiligkeit der Sakramente kümmern“. Doch so devot verhielt sich der oberste Glaubenswächter seiner Kirche nicht. Der frühere Regensburger Bischof war 2012 noch von Papst Benedikt XVI. ernannt worden. Die beiden Theologen verstanden sich ausgezeichnet. Mit der Amtsübernahme des Papstes aus Argentinien änderte sich das schnell. Von Monat zu Monat wuchsen die Differenzen zwischen Franziskus und Müller.
Der von der römischen Glaubensbehörde lange kritisierte Schweizer Theologe Hans Küng nannte Müller einmal einen „bornierten Scharfmacher“. Dass es Kardinal Müller nicht gefiel, wie Franziskus mit seinem Charisma, mit seinen Reformideen und mit seinem volksnahen „Buona sera“, das er direkt nach seiner Ernennung den Gläubigen gegenüber äußerte, die Menschen für sich einnahm, war schnell abzusehen. Bei verschiedenen Themen gerieten Papst Franziskus und Kardinal Müller aneinander, und es war immer wieder Müller, der seinen Unmut über bestimmte Entscheidungen des Papstes direkt kundtat. Im Skandal des sexuellen Missbrauchs durch Priester sprach Müller immer wieder nur von Einzelfällen, während Franziskus eine „Null-Toleranz-Politik“proklamierte und diesen Skandal nicht wie sein Glaubenshüter herunterzupielen versuchte. Müller soll, so hieß es mehrfach aus dem Vatikan, die vom Papst angestrebte Kurienreform behindert haben. Im Fall des Papst-Schreibens über Familie und Liebe „Amoris laetitia“(Die Freude der Liebe) kritisierte Müller scharf die Position des Papstes bezüglich einer möglichen Wiederzulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion. Der Glaubenshüter verstieg sich sogar zu der Äußerung, wonach niemand, auch kein Papst, die dogmatische Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe revidieren dürfe.
In diesem Zusammenhang unterzeichnete auch Müller während der Familiensynode 2014 einen sogenannten „Brief der 13 Kardinäle“an den Papst, in dem Aufweichungen in der traditionellen katholischen Familienpolitik kritisiert wurden.
Auch die von Papst Franziskus 2016 angekündigte Möglichkeit, dass eventuell in Zukunft Frauen zum Diakonenamt zugelassen werden könnten, wie dies in der frühen Kirche Realität war, stieß bei Kardinal Müller auf entschiedene Ablehnung. „Müller hat sich immer wieder zum Lehrmeister des Papstes erhoben“, so der römische Vatikanexperte Sandro Magister vom Wochenmagazin „L’Espresso“.
Mit Müllers Ablösung endete eine turbulente Woche im Vatikan. Am Donnerstag hatte der Papst VatikanFinanzchef George Pell beurlaubt. Pell muss sich früheren Missbrauchsvorwürfen in Australien stellen.