Forderung nach Räumung der Roten Flora
Linksautonomer Treffpunkt nach Gewalt bei G20-Gipfel in Hamburg unter Druck – 170 Ermittler im Einsatz
(dpa) - Es war ruhiger geworden um die seit fast 30 Jahren besetzte Rote Flora im Schanzenviertel mitten in Hamburg. Nach längeren Umbauarbeiten und einem neuen Anstrich wirkte das Rückzugsgebiet der Linksautonomen freundlicher. Ausländische Touristen ließen sich gerne vor ungewohnten Bannern wie „Capitalism will end anyway – you decide when“(Kapitalismus wird sowieso enden – du entscheidest wann) fotografieren. Doch nach der Gewaltorgie im Umfeld des G20-Gipfels kippt jetzt die Stimmung.
Öl ins Feuer gegossen hat FloraAnwalt Andreas Beuth, als er nach der beispiellosen Gewaltnacht im ARD„Brennpunkt“sagte: „Wir als Autonome und ich als Sprecher der Autonomen haben gewisse Sympathien für solche Aktionen, aber bitte doch nicht im eigenen Viertel, wo wir wohnen. Also warum nicht irgendwie in Pöseldorf oder Blankenese?“Später ruderte Beuth, der zusammen mit dem Flora-Aktivisten Andreas Blechschmidt die Donnerstags-Demo „Welcome to Hell“angemeldet hatte, zurück, aber zu spät.
Nicht nur die örtliche CDU unter Oppositionsführer André Trepoll fordert: „Die Rote Flora muss jetzt dichtgemacht werden.“Auch die CDU im Bund ist für einen harten Kurs gegen das seit fast 30 Jahren besetzte ehemalige Theatergebäude. Er halte „eine gewaltsame Räumung der Roten Flora jetzt für zwingend geboten“, sagte der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer. Innenminister Thomas de Maizière sieht die Rote Flora gleich in einem größeren Zusammenhang. „So etwas wie die Rote Flora, besetzte Häuser in Berlin und so etwas, was es in Connewitz in Leipzig gibt, kann man nicht hinnehmen. Wenn das einmal eingerissen ist, ist das nicht so leicht wieder zu lösen.“
Wenig Bereitschaft
Bürgermeister Olaf Scholz, der seit den Krawallen nicht mehr so selbstsicher wirkt, ist ebenfalls für eine härtere Linie, aber gegen einen Schnellschuss. „Das Umfeld der Flora und ihre Unterstützer müssen sich jetzt nach diesen Exzessen entscheiden, auf welcher Seite sie stehen – für oder gegen die Gewalteskalation“, sagt SPD-Fraktionschef Andreas Dressel.
Erste Reaktionen lassen wenig Bereitschaft hierfür erkennen. So sagte Flora-Sprecher Blechschmidt: „Es ist offensichtlich, dass durch die Debatte all die Eskalationen der Polizei und Grundrechtsverletzungen vergessen gemacht werden sollen und vor allem die regierende SPD von ihrem eigenen politischen Versagen ablenken will.“
Doch sollte man die Rote Flora jetzt räumen? Vorsicht, mahnt der Kriminologe Christian Pfeiffer. Es gebe eine Szene, die sich über Jahrzehnte gebildet habe und Außenseitern eine gewisse Zuflucht biete, sagte er. „Wer solche Orte nicht zulässt und mit Gewalt räumt, sorgt für noch mehr Gewalt.“
Für die Ermittlungen zu den Krawallen am Rande des G20-Gipfels will die Polizei in der Hansestadt eine Sonderkommission mit bis zu 170 Ermittlern einsetzen. Etwa hundert bis 110 Beamte sollten aus Hamburg kommen und bis zu 60 weitere aus anderen Bundesländern, sagte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer am Dienstag vor Journalisten.
Der Polizei liege umfangreiches Beweismaterial vor, sagte Meyer. Er sprach von über 2000 Bilddateien von Zeugen und „Hunderten Stunden“Dokumentationsmaterial aus den verschiedenen Einsätzen. Die Sonderkommission solle zügig ihre Arbeit aufnehmen, sagte der Polizeipräsident.