Brillantes Gesellschaftspanorama
„Die Summe aller Möglichkeiten“von Olivier Adam
Olivier Adam ist einer der aufregendsten Schriftsteller Frankreichs. Der 42-Jährige Autor wird oft als Chronist der Vorstädte bezeichnet. Und tatsächlich spielen viele seiner Bücher in den berüchtigten Banlieues, in denen Armut und Hoffnungslosigkeit herrschen, Radikalismus und Kriminalität gedeihen. In seinem neuen Buch „Die Summe aller Möglichkeiten“wechselt Adam den Schauplatz, aber nicht das Milieu.
Der Roman spielt in einem Badeort an der Côte d’Azur, in einem sonnigen, scheinbar sorgenfreien Ambiente also. Bei genauerem Hinschauen ist die heile Welt ganz schön kaputt. In dieser Hochburg des Front National herrschen Rassismus, Ressentiments und mafiöse Strukturen.
Adams Protagonisten sind einmal mehr die sogenannten kleinen Leute, die mit schlecht bezahlten Jobs den Tourismusbetrieb oder die Luxusvillen der Reichen am Laufen halten – Reinigungskräfte, Altenpflegerinnen, Kellnerinnen oder Campingwarte. Erzählt wird die Geschichte von 22 Männern und Frauen, die auf die eine oder andere Art miteinander verbunden sind. Adam entwickelt meisterhaft psychologische Porträts, die sich zu einem düsteren Gesellschaftspanorama verdichten. „Die Summe aller Möglichkeiten“ist ein melancholischer Roman und doch vibriert er und geht unter die Haut. Er ist mitreißend und authentisch, denn er zeigt den Menschen in seiner ganzen Fragilität vor der schönen und brüchigen Kulisse der Côte d’Azur. (dpa) Olivier Adam: Die Summe aller Möglichkeiten, Klett-Cotta, 445 Seiten, 25 Euro.