Monopoly mit echtem Geld
Einige Bundesliga-Macher betrachten den Irrsinn auf dem Transfermarkt mit Sorge
(fil/SID) - Christoph Kramer ist wahrscheinlich der einzige Profikicker der Welt, der wegen einer nachhaltigen Erinnerungslücke einen gewissen Kultstatus erreicht hat. Im WM-Finale 2014 gegen Argentinien erlitt der Gladbacher eine Gehirnerschütterung und infolge dessen einen Blackout. Mittlerweile scheint Kramer, den es 2016, nach einer Saison bei seinem Stammverein Bayer Leverkusen wieder zu seinem einstigen Leihclub Mönchengladbach zog, aber nicht nur auf dem Fußballplatz wieder den Durchblick zu haben.
„Es war früher schon nicht mehr greifbar für den normalen Menschen, wenn ein Spieler acht Millionen gekostet hat. Aber wenn jetzt Paris Saint Germain 222 Millionen für Neymar bietet, das ist unwirklich. Ich finde das schade“, sagte der Weltmeister jüngst angesichts der immer absurder anmutenden Summen, mit denen auf der internationalen Profifußballer-Tauschbörse mittlerweile jongliert wird.
„Nicht mehr zu begreifen“
„Es ist schon Wahnsinn, wenn man sieht, dass in England Kyle Walker für 57 Millionen Euro wechselt. Früher wäre das eine ganze Woche Titelblatt gewesen, und heute siehst du das im Internet irgendwo und hast Glück, dass du es überhaupt mitbekommst“, so Kramer. Rechtsverteidiger Walker, für den Manchester City besagte 57 Millionen Euro an Tottenham überwiesen hat, ist bislang der viertteuerste Transfer des Sommers. Der teuerste ist jener des belgischen Stürmers Romelu Lukaku, den es von Everton zu Manchester United zog. Inklusive Nachzahlungen kann Lukaku mehr als 100 Millionen Euro teuer werden.
Nicht deutlich günstiger, aber mit wesentlich weniger Einsatzzeiten gesegnet ist Alvaro Morata – für Real Madrids Edelreservisten machte der FC Chelsea am Mittwoch 80 Millionen Euro locker. Das Transferfieber greift rund um den Globus um sich, und gefühlt jagt eine Millionenverpflichtung die nächste. Die Bundesligamacher beobachten diesen Trend sorgenvoll.
„Was sich auf dem Transfermarkt abspielt, ist Wahnsinn, wie Monopoly. Topstars werden von Verein zu Verein weitergereicht für Summen, die für uns alle nicht mehr zu begreifen sind“, sagte Gladbachs Manager Max Eberl dem „Kicker“. Monopoly mit echtem Geld. Freiburgs Trainer Christian Streich sagte bei Sky: „Das ist ein Brutalo-Kapitalismus, der gelebt wird. Anscheinend ist es so gewollt.“
Der Sportclub hat in diesem Sommer selbst profitiert von den explodierenden Preisen. Der BVB zahlte die einst sicher nicht zu niedrig angesetzte Ausstiegsklausel von 20 Millionen Euro im Vertrag von Angreifer Maximilian Philipp bereitwillig, Gladbach überwies sechs Millionen Euro für Regisseur Vincenzo Grifo. Doch im Breisgau haben sie noch nie viel davon gehalten, selbst überteuerte Preise zu bezahlen, nur weil man zufällig gerade ein wenig Geld auf der hohen Kante hat. Als nun zuletzt der AS Rom im letzten Moment dem türkischen Verein Basaksehir 13 Millionen Euro anbot für den 20-jährigen Mittelfeldspieler Cengiz Ünder, zog sich Freiburg aus den Verhandlungen zurück – obwohl Ünder bereits ein unterschriftsreifer Vertrag vorlag und man sich eigentlich auch schon mit Basaksehir geeinigt hatte.
Auch in der Bundesliga werden zweistellige Millionenablösesummen langsam zur Normalität, neben dem FC Bayern holten Leipzig, Dortmund, Köln, Mönchengladbach, Schalke, Leverkusen und Wolfsburg bislang einzelne Spieler, die mehr als zehn Millionen Euro Ablöse kosteten. Doch ganz so wie in England, wo sogar gehobene Durchschnittskicker wie der Ex-Bremer Marko Arnautovic beinahe 30 Millionen Euro Ablöse kosten, ist es in Deutschland noch nicht. Der neue TV-Vertrag in Deutschland mag zwar den Bundesligaclubs mehr als eine Milliarde Euro pro Saison garantieren, doch in England kassieren die Rivalen ein Vielfaches. Wohl auch angesichts der Summen, die in England sonst so bezahlt werden, soll Bayer Leverkusen eine 15-Millionen-EuroOfferte von West Ham United für Angreifer Chicharito abgelehnt haben. Am Donnerstagabend allerdings wurde der Transfer als perfekt vermeldet. Der 29-jährige Mexikaner hat bei dem Club aus London unterschrieben. Kolportierte Ablösesumme: 16 bis 18 Millionen Euro. Wenn der Markt schon verrückt spielt, will eben jeder ein großes Stück vom Kuchen abhaben. Bis die Blase platzt?