Ein Fest für die Freiheit
Oper Stuttgart feiert Premiere, obwohl der russische Regisseur Kirill Serebrennikow unter Hausarrest steht
- Die Proben für das neue Stück an der Oper Stuttgart haben offiziell begonnen. Doch nichts läuft dabei so, wie das Opernhaus es seit gut anderthalb Jahren geplant hatte. „Eine außergewöhnliche, noch nie dagewesen Situation“, nennt Opernintendant Jossi Wieler die Lage im Moment. Denn: Kirill Serebrennikow, der Regisseur des Stückes „Hänsel und Gretel“, das am 22. Oktober Premiere feiern soll, steht derzeit in seiner Heimat Russland unter Hausarrest.
Trotzdem werde die Märchenoper wie geplant am Premierentag aufgeführt werden, versichert der Intendant: „Die Musiker werden spielen, die Sänger werden singen. Wie wir das Bühnenbild und die Inszenierung drumherum präsentieren, das werden wir in den kommenden Wochen erarbeiten.“Denn das bisherige Konzept von Regisseur Serebrennikow solle nicht angerührt werden. „Kirill soll die Möglichkeit haben, seine Arbeit und seine Vision für das Stück jederzeit weiterführen zu können, sobald er wieder frei ist.“
Neues Konzept als Alternative
Bis dahin arbeiten Intendant Jossi Wieler, der musikalische Leiter Gerorg Fritzsch, die Dramaturgin AnnChristine Mecke und der Videokünstler Ilya Shagalov gemeinsam an einem neuen Konzept für „Hänsel und Gretel“. Entstehen soll ein Musiktheaterabend, bei dem auch die Geschichte des Regisseurs selbst thematisiert wird. „Es wird nicht nur das Märchen erzählt, sondern auch die Geschichte unseres Erzählers, der beim Erzählen unterbrochen wurde,“sagt Mecke. Diese neue Inszenierung hat Serebrennikow autorisiert.
Vor seinem Hausarrest konnte der Regisseur und Bühnenbildner noch einen Spielfilm in Ruanda drehen. Dieser soll im Mittelpunkt der Oper stehen. Der Film liegt laut Dramaturgin Mecke als Rohschnitt vor, kann aber ohne Serebrennikow nicht beendet werden: „Bei jedem Arbeitsschritt hat Kirill Serebrennikow zwar mit Partnern zusammengearbeitet. Seine Arbeit kann aber niemand übernehmen.“
Dem 48-jährigen regierungskritischen Regisseur wird in seiner Heimat vorgeworfen, staatliche Gelder veruntreut zu haben. Seit Ende August bis voraussichtlich 19. Oktober sitzt er darum in Hausarrest und kann nur über seinen Anwalt mit der Außenwelt kommunizieren. Die Hoffnung, dass Serebrennikow doch noch zur Premiere nach Stuttgart kommen kann, sei aber da, erklärt Intendant Wieler. „Wir halten einen Ehrenplatz für ihn frei.“Die Aufführung werde dem Regisseur gewidmet. „Wir wollen damit Haltung zeigen als Opernhaus, als Künstler und als freie Gesellschaft.“
Einen Einblick in die Dreharbeiten zum Spielfilm finden Sie unter www.schwäbische.de/ serebrennikow