Terrorprozess gegen „Prediger ohne Gesicht“gestartet
Der Iraker Abu Walaa soll von einer Hildesheimer Moschee aus für den IS junge Menschen angeworben haben
(dpa) - Abu Walaa gilt als „Prediger ohne Gesicht“, denn bei seinen Hassbotschaften im Internet zeigt er sich nur von hinten. Seit Dienstag muss sich der mutmaßliche Deutschlandchef der Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) in Celle vor dem Oberlandesgericht verantworten. Laut Anklage ist der 33-jährige Iraker verantwortlich für die Ausreise zahlreicher radikalisierter junger Menschen in die IS-Kampfgebiete. Mit ihm angeklagt sind vier weitere IS-Unterstützer im Alter zwischen 27 und 51 Jahren. Ihnen wird Unterstützung und Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Ihnen drohen bis zu zehn Jahre Haft.
Schwerbewaffnete Spezialkräfte der Polizei sichern das Gerichtsgebäude, verhandelt wird im Hochsicherheitstrakt und die Angeklagten sitzen hinter Panzerglas. Und dies nicht grundlos: Laut Gericht gibt es Anschlagsdrohungen ebenso wie den Aufruf im Internet zur Befreiung eines Angeklagten. Mit wachem Blick redet Abu Walaa mit seinem Anwalt. Man kann sich vorstellen, dass er Menschen für sich gewinnen kann – und wie die Bundesanwaltschaft überzeugt ist: für einen fanatischen Glaubenskrieg. Beim inzwischen verbotenen „Deutschen Islamkreis Hildesheim“soll Abu Walaa radikal-islamische Predigten gehalten und die Moschee zu einem bundesweiten Rekrutierungszentrum des IS gemacht haben. Laut Anklage indoktrinierte das Netzwerk junge Menschen und schickte sie nach Syrien oder in den Irak. Zwei in der Anklage genannte Zwillinge aus Castrop-Rauxel sollen sich dort als Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt haben, wobei rund 150 Regierungssoldaten starben. Während der Schilderung lächelt Abu Walaa immer wieder, manchmal schüttelt er den Kopf.
Kronzeuge belastet Angeklagten
Außer in Hildesheim war der von den Sicherheitsbehörden seit Jahren beobachtete Prediger in NordrheinWestfalen aktiv. Außerdem organisierte er Islamseminare in Moscheen in Berlin, Kassel, Frankfurt und dem westfälischen Bocholt. Auch der Berlin-Attentäter Anis Amri soll sich im Umfeld von Abu Walaa und seinem Netzwerk aufgehalten haben.
Belastet wird Abu Walaa von mehreren V-Leuten der Polizei sowie einem ehemaligen IS-Sympathisanten aus Gelsenkirchen. Der Kronzeuge sagte sich nach einer Syrienreise von der Terrormiliz los und packte bei den Ermittlern aus, er erhielt im Mai eine Bewährungsstrafe.
Abu Walaas Verteidiger Peter Krieger sagte, der Kronzeuge erzähle „fantastische Geschichten“, die die Behörden nicht überprüft hätten. Trotz jahrelanger Beobachtung hätten die Behörden Abu Walaa zuvor nie etwas anlasten können. Die Verteidigung behauptet auch, der auf Abu Walaa angesetzte V-Mann „VP01“des Landeskriminalamtes NRW habe Anis Amri immer wieder zum Verüben von Anschlägen aufgefordert. Deswegen, so die Vermutung der Anwälte, dürfe dieser wohl nicht in Celle als Zeuge aussagen.