Alternde Kapitäne streichen die Segel
Wassersportbranche freut sich auf der Friedrichshafener Interboot über gute Geschäfte – Trend geht zum Motorboot
- Die deutsche Wassersportbranche erwartet in diesem Jahr einen Rekordumsatz. Von mehr als zwei Milliarden Euro war am Dienstag während eines Branchengesprächs auf der Friedrichshafener Wassersportmesse Interboot die Rede. Der Umsatz wird unter anderem durch den Boots- sowie Zubehörhandel erwirtschaftet. Eine immer größere Rolle spielen aber offenbar auch Dienstleistungen im Bereich des Wassersports.
„Branchenprimus ist der Servicebereich“, sagt Sonja Meichle, Vizepräsidentin des Bundesverbandes Wassersportwirtschaft und Chefin der Marina Ultramarin Meichle und Mohr, des größten Yachthafens am Bodensee in Kressbronn-Gohren. In diesem Segment gebe es die meisten Zuwächse. Aber auch insgesamt stehe die Branche so gut da, wie schon lange nicht mehr, betont Meichle. Auch mit Blick auf das nächste Jahr herrsche großer Optimismus.
Nach einer Umfrage des Bundesverbandes Wassersportwirtschaft zur Jahresmitte bewerten 86,6 Prozent der Unternehmen die aktuelle Geschäftslage gleich gut oder sogar besser als 2016. Die bisher letzten Tiefpunkte in dieser Bewertung hatte es 2012 und 2013 gegeben. Seinerzeit hielt nur gut die Hälfte der befragten Unternehmer die Lage für gut. Einer der Gründe für den Boom sieht Meichle in der „anhaltend guten Wirtschaftslage“. Die Leute hätten Geld. Wegen der niedrigen Zinsen dächten aber viele, dass sich ein Anlegen kaum lohne. „Diese Menschen sagen sich, jetzt gönne ich mir etwas“, glaubt Meichle.
Wobei es auf dem Bootsmarkt eine Verschiebung gibt. Segelboote sind nach den vorliegenden Zahlen zunehmend weniger gefragt. Dafür werden mehr Motorboote verkauft. Dies schlägt sich auch auf der Interboot nieder, die wiederum als eine der wichtigsten Messen der Branche gilt. „Wir haben jetzt rund 70 Prozent Motorboote und 30 Prozent Segelboote. Das Verhältnis hat sich inzwischen völlig gedreht“, berichtet Klaus Wellmann, Geschäftsführer der Messe Friedrichshafen.
Weshalb es zu dieser Wende gekommen ist, lässt sich wohl nicht exakt beschreiben. Beim Branchengespräch erklärt jedoch Peter Grimm, einer der Geschäftsführer des Schweizer Bootsbauers Brunnert Grimm, dass vor allem ältere Wassersportler Motorboote vorziehen. Dieselbe Erfahrung hat Karsten Baas, Chef der in Greifswald beheimateten Hanse Vertriebsgesellschaft, gemacht. Insgesamt geht die Branchenrunde von Folgendem aus: Ältere Bootsfahrer würden vermehrt den Aufwand beim Segeln scheuen und lieber den Motor anwerfen.
Kunden könnten wegbrechen
Die Alterung der Menschen schlägt sich somit auch beim Wassersport nieder. Sonja Meichle spricht in diesem Zusammenhang einen Punkt an, der die Branche nach ihren Worten umtreibt: Müssten altgewordene Bootseigentümer ihr Hobby völlig aufgeben, fehle es immer wieder an Nachfolgern. „Da bricht etwas weg“, erklärt sie. Gegenwärtig könne zwar das Niveau bei den Bootsbesitzern gehalten werden. Es drohe aber „ein Schrumpfen des Kundenstamms“.
Bei all den anfangs erwähnten guten Aussichten in der Wassersportbranche gibt es jedoch neben der Demografie noch eine weitere Sorge: „Der Fachkräftemangel ist auch bei uns ein riesiges Thema“, sagt Meichle. Für die Schweizer Nachbarn am Bodensee bestätigt dies Ariane Vonwiller, Vizepräsidentin des eidgenössischen Bootbauer-Verbands und Geschäftsführerin der Yachtwerft Portier AG. Es werde auch für Bootsbauer zunehmend schwierig, geeignete Mitarbeiter zu finden. Vonwiller sorgt sich, dass deshalb möglicherweise Aufträge nicht mehr abgearbeitet werden können.