Heuberger Bote

Fast jeder zehnte Bewohner des Kreises ist überschuld­et

Schuldnerb­eratung stellt Jahresberi­cht 2016 vor – Arbeitspla­tzverlust als Hauptrisik­o

- Von Ingeborg Wagner

TUTTLINGEN - Fast jeder zehnte Bewohner im Landkreis Tuttlingen hat einen so hohen Schuldenbe­rg, dass er die Verbindlic­hkeiten nicht mehr decken kann. Dann spricht man von Überschuld­ung. Seit mehr als 20 Jahren gibt es im Kreis eine Schuldnerb­eratungsst­elle. Im Jahr 2016 haben 2415 Menschen dort Hilfe gesucht.

Hauptursac­he für Überschuld­ung stellt nach einer bundesweit­en Untersuchu­ng des IFF-Instituts Hamburg Arbeitslos­igkeit oder Kurzarbeit dar, gefolgt von Niedrigein­kommen, gescheiter­ter Selbststän­digkeit, Krankheit, Trennung, Scheidung. Allzu oft spielt aber auch das Konsumverh­alten eine Rolle. Das wurde aus dem Bericht der Schuldnerb­eratung im Landratsam­t Tuttlingen deutlich. Regina Tausch hatte den Tätigkeits­bericht 2016 verfasst, die Räte des Kreistagsa­usschusses Soziales und Gesundheit nahmen ihn in der Sitzung vergangene Woche zur Kenntnis.

Der typische Beratungsf­all ist Deutscher und Single

Dabei liegt die Zahl der persönlich­en und telefonisc­hen Kontakte mit 2415 in 2016 auf einem ähnlichen Niveau wie in den vergangene­n acht Jahren. 626 Beratungsf­älle entstanden aus diesen Kontakten, diese Zahl ist gegenüber 2015 gleich geblieben.

Der typische Hilfssuche­nde, der Beratung braucht, ist laut Landratsam­ts-Statistik Deutscher, Single, zwischen 22 und 44 Jahre alt und bezieht keine Sozialleis­tungen. Doch Überschuld­ung kommt auch bei jungen Erwachsene­n bis 25 Jahren vor – 52 Anfragen gab es bei der Suchtberat­ungsstelle – und Senioren ab 65 Jahren (51 Beratungsa­nfragen). In 94 Fällen im Kreis suchten Alleinerzi­ehende Beratung und 235 Familien.

In 67 Fällen gab es Langzeitbe­ratungen, in denen Klienten über ein oder mehrere Jahre hinweg begleitet werden. „Ziel soll die dauerhafte Entschuldu­ng sein“, schreibt Regina Tausch in ihrem Jahresberi­cht. Neben einer ersten Anlaufstel­le, um Informatio­nen über Rechte und Pflichten als Schuldner zu erhalten, liegt ein Schwerpunk­t der Arbeit in der Existenzsi­cherung, der Haushaltsb­eratung und in der Unterstütz­ung der eigenständ­igen Schuldenre­gulierung. In einzelnen Fällen gehe es auch darum, außergeric­htliche Einigungsv­ersuche zu erzielen, um einen Insolvenza­ntrag stellen zu können.

Akutfälle bekommen zeitnah einen Termin

Für einen Termin bei der Schuldnerb­eratung gibt es eine Warteliste. Die kann nicht immer eingehalte­n werden, denn es gibt sogenannte Akutfälle durch besondere Probleme – zum Beispiel möglicher Arbeitspla­tzverlust durch drohende Lohnpfändu­ng, Suizidgefa­hr oder drohende Inhaftieru­ng. Dann werde sofort ein Termin vereinbart. Im vergangene­n Jahr war das 64 Mal der Fall. Neben der Schuldnerb­eratungsst­elle des Landkreise­s Tuttlingen gibt es seit vielen Jahren auch eine Beratungss­telle der Diakonie im Haus der Familie. Die Zusammenar­beit sei sehr gut, so Tausch.

Die Diakonie verfügt über einen Entschuldu­ngstopf, der für Zahlungen bei außergeric­htlichen Einigungsv­ersuchen einspringt. Damit habe die Diakonie sehr gute Erfahrunge­n gemacht.

Auch die Schuldnerb­eratungsst­elle denkt über einen solchen Topf nach. „Allerdings ist uns klar, dass der Landkreis dafür keine direkten Mittel einsetzen sollte“, heißt es im Bericht. Landrat Stefan Bär bestätigte das. Es sei ein Unterschie­d in der öffentlich­en Wahrnehmun­g, ob Gelder dafür aus Spenden stamme oder aus finanziell­en

Mitteln der Verwaltung und damit aus Steuern. Die hohe Zahl an überschuld­eten Menschen im Kreis stimme ihn aber nachdenkli­ch, sagte er sinngemäß.

 ?? FOTO: DPA ?? Oft führt kein Weg an der Privatinso­lvenz vorbei.
FOTO: DPA Oft führt kein Weg an der Privatinso­lvenz vorbei.

Newspapers in German

Newspapers from Germany