Tusk will Gipfelarbeit reformieren
Deutschland verwahrt sich gegen französische Forderungen nach eigenem Budget
(dawe) - „Von Kamingeplauder zum zentralen Entscheidungsinstrument“lautet der Titel eines kleinen Films, in dem die Geschichte der Europäischen Gipfeltreffen von den Anfängen in den 1950er-Jahren bis heute dargestellt wird. Bis 2003 trafen sich die Regierungschefs reihum in den Ländern, die gerade den Ratsvorsitz stellten. Dieser Wanderzirkus brachte dreibis viermal jährlich europäisches Flair in manche kleine Stadt, war aber teuer und wenig effektiv. Seither finden die Gipfel in Brüssel statt – und ihre Zahl steigt mit den Krisen, die die EU zu bewältigen hat.
Seit 2009 hat die EU einen Ratspräsidenten, der auch Gipfelgastgeber ist. Schon der erste Mann in diesem Amt, der Belgier Herman Van Rompuy, wollte die Regierungschefs möglichst monatlich nach Brüssel holen, weil es in der Folge der Weltfinanzkrise so viel zu besprechen gab. Sein Nachfolger, der Pole Donald Tusk, hat nun weitere Reformen angekündigt. Er glaubt, dass die Trennung von Großbritannien der EU neuen Schwung verleihen wird. Dieses Momentum will er nutzen, um die Gipfeltreffen zu echten Kabinett-Sitzungen auszubauen.
Beginnend mit dem heutigen Donnerstag sollen sich die Regierungschefs bis Mitte 2019 insgesamt 13-mal treffen, um wichtige Projekte wie die gemeinsame Verteidigungspolitik, eine Reform des Asylrechts und eine neue Struktur der Eurozone auf den Weg zu bringen. Nach jeder Sitzung werden die Beschlüsse schriftlich festgehalten und bis zum nächsten Treffen die Fortschritte gemessen. Bei Themen, wo keine Einigkeit erzielt werden kann, sollen sich diejenigen Länder zusammentun, die das wünschen. Damit wäre das Europa der zwei Geschwindigkeiten, über das schon so lange diskutiert wird, Realität.
Allerdings nur dann, wenn sich für ein konkretes Projekt auch genug Mitstreiter finden. Betrachtet man die zur Diskussion stehenden Reformen genauer, dann treten die Differenzen stärker zutage als die Gemeinsamkeiten. So will Deutschland allenfalls eine behutsame Reform der Eurozone, verwahrt sich gegen französische Forderungen nach einem eigenen Budget, einer getrennten Parlamentskammer und einer gemeinschaftlichen Haftung. Auch beim Asylrecht gehen die Regierungen sehr unterschiedliche Wege.