Trumps Hochseilakt in Asien
Zuerst die Stilfrage. Donald Trump fliegt für elf Tage nach Asien, und dass man in Peking, Seoul oder Tokio gesteigerten Wert darauf legt, den anderen das Gesicht wahren zu lassen, indem man beispielsweise auf ruppige Töne verzichtet, hat sich auch in Washington herumgesprochen. Deshalb die Frage im Presseraum des Weißen Hauses: Wird er sich rhetorisch bremsen? „Nun, der Präsident ist nicht wirklich jemand, der seine Sprache abbremst“, erwiderte der Nationale Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster, um grinsend hinterherzuschieben: „Ist Ihnen das schon aufgefallen?“
Knapp drei Monate ist es her, dass Trump in seinem Golfclub Bedminster davon sprach, Nordkorea mit Feuer und Wut zu begegnen. Vor gut sechs Wochen drohte er vor den Vereinten Nationen (UN) mit der vollständigen Zerstörung des Landes, falls der „Raketenmann“Kim Jongun Amerika zwinge, sich selbst und seine Verbündeten zu verteidigen. Was also werden die Worte sein, die er in Asien wählt? Der Präsident werde reden, wie immer er es für richtig halte, lässt McMaster alles offen.
Lieber vor dem Fernseher
Es ist, dies nur als Fußnote, die längste Asien-Tournee, zu der ein amerikanischer Staatschef je aufgebrochen ist, seit George Bush Senior 1992 am Ende eines noch längeren Trips an Magen-Darm-Grippe erkrankt bei einem Galadiner in Tokio kollabierte. Bemerkenswert für einen 71-Jährigen wie Trump, von dem es heißt, dass er sich am wohlsten fühlt, wenn er daheim vorm Fernseher sitzen kann, Smartphone samt Twitter-Account in Reichweite.
Als Erstes geht es nach Japan, dann nach Südkorea, wo er eine Rede vorm Parlament halten wird, von dort nach China und Vietnam. Zum Schluss besucht er die Philippinen, deren autokratischer Herrscher Rodrigo Duterte mutmaßliche Drogendealer zu Tausenden töten lässt. Was Trump im Mai nicht davon abhielt, ihn für den „unglaublich guten Job beim Drogenproblem“zu loben. Die Schlüsselstationen, zugleich die heikelsten, sind Seoul und Peking.
Die Regierung Südkoreas stelle sich auf einen Drahtseilakt höchsten Schwierigkeitsgrads ein, beobachtet Scott Snyder, Korea-Experte am Council on Foreign Relations (CFR), einem Thinktank. Trump, befürchte Südkorea, könnte das Land in einen militärischen Konflikt hineinziehen, ohne dass es ein echtes Mitspracherecht habe. Die bellizistische Rhetorik des Mannes lasse bei Amerikas Alliierten die Nerven blank liegen, legt Snyder den Finger in die Wunde.
Und der Ton? Redet Trump aus dem Stegreif, kann es gefährlich unberechenbar werden. Daher sind seine Berater, glaubt zumindest die Asien-Spezialistin Sheila Smith vom CFR, den chinesischen Gastgebern durchaus dankbar für ein Programm, das kaum Gelegenheiten bietet, vom Manuskript abzuweichen. Geplant ist eine Pressekonferenz, bei der nur Statements verlesen werden, ohne dass Reporter Fragen stellen dürfen. Normalerweise reiben sich amerikanische Gäste an einem derart engen Korsett, manchmal protestieren sie lautstark dagegen. Diesmal liegen die Dinge anders.