Rolf Waldvogel
Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutungen und Schreibweisen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.
Dabei war diese alte Schreibung unbestreitbar näher am etymologischen Hintergrund des Wortes. Zwei Erklärungen werden gehandelt: Dieses frühere rauh in Rauhnächten könnte etwas mit Rauch zu tun haben. Um unheilvolle Geister von Haus und Hof abzuhalten, verbrannten die verängstigen Menschen einst Weihrauch und irgendwelche Kräuter. Oder aber das frühere rauh geht auf ein altes rauch für behaart zurück, das auch in Rauchwaren, einem anderen Wort für Pelze, steckt. Angespielt würde damit auf in Fell gehüllte Dämonen, die in diesen Winternächten die Normalsterblichen heimsuchten.
Für Kulturwissenschaftler, die sich mit dem Brauchtum unserer Vorfahren beschäftigen, ist das alles hochinteressant. Aber sage keiner, der Aberglaube sei ausgestorben: Auf einschlägigen Internetseiten wird esoterischer Raunächte-Humbug als bare Münze verkauft. Und übermorgen am Silvesterabend gießen wieder unzählige Zeitgenossen geschmolzenes Zinn ins Wasser, um in die Zukunft zu schauen. Das kann ein lustiger Familienspaß sein, für viele ist es allerdings eine ernste Handlung. Hilfen bei der Interpretation der Gebilde liefert ebenfalls das Internet: Axt = Unheil, BH = Erfüllung in der Liebe, Dolch = Gefahr, Ei = Familienzuwachs, Pilz = Gesundheitsproblem, Pantoffel = bevorstehende Hochzeit, Sarg = Trauerfall. Was auf der Liste fehlt: Finger an der Stirn = Verblödung droht.
Wenn Sie Anregungen zu Sprachthemen haben, schreiben Sie! Schwäbische Zeitung, Kulturredaktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg ● » r. waldvogel@ schwaebische. de