Seehofer fordert Regierung bis Ostern
Der CSU-Chef und Kanzlerin Merkel erhöhen den Druck auf die SPD
- Die Union dringt auf zeitnahe Gespräche mit der SPD. „Die Welt wartet nicht auf uns“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel, die CDU-Vorsitzende, in ihrer Neujahrsansprache. Aus der Sicht von Horst Seehofer muss die Bildung der neuen Regierung spätestens Anfang April beendet sein. „Ostern ist der allerspäteste Zeitpunkt, dann ist Anfang April. Sonst würde ich sagen, wir hätten unsere Hausaufgaben nicht gemacht als Berufspolitiker, wenn man in einer solchen Zeit keine Regierungsbildung zusammenbringt“, erklärte der CSU-Chef.
Allerdings belasten bereits vor dem offiziellen Beginn der sechstätigen Sondierungen am 7. Januar weitreichende Forderungen der möglichen Koalitionspartner die Gespräche. Am Mittwoch treffen sich die Spitzen von Union und SPD zu einem weiteren Vorgespräch.
Die Verzögerungen bei der Regierungsbildung nennt der Politikwissenschaftler Alfred Grosser – auch in Bezug auf die EU – „katastrophal“. Der Publizist hält eh wenig von einer neuen GroKo. „Jetzt läuft in Berlin alles auf eine Große Koalition zu, die nicht mehr wirklich groß ist und von zwei Wahlverlierern gebildet wird. Die Große Koalition stärkt die extremen Ränder links und rechts“, sagte Grosser der „Schwäbischen Zeitung“.
- Der Publizist Alfred Grosser (Foto: dpa) fordert die Deutschen zu finanziellen Zugeständnissen auf. Andreas Herholz hat ihn befragt.
SPD-Chef Schulz will die Vereinigten Staaten von Europa bis 2025. Ein Traum?
Daran glaubt niemand. Das ist eine Utopie. Aber SPD-Chef Schulz geht auf Macron zu. Kanzlerin Angela Merkel dagegen zaudert und bleibt zurückhaltend skeptisch. Deutschland und die Bundesregierung sollten endlich erkennen, wenn sie mehr Europa wollen, müssen sie finanziell solidarischer sein und diejenigen stärker unterstützen, die weniger reich sind. Das wird in Deutschland aber noch immer nicht akzeptiert, ist nicht mehrheitsfähig.
Wie groß ist die Enttäuschung in Paris über die Zurückhaltung Merkels auf die Reformagenda des französischen Präsidenten?
Natürlich ist man im Élysée nicht über dieses Zaudern begeistert. Aber Macron ist Realist. Er hat sicher nicht erwartet, dass die Kanzlerin einem gemeinsamen europäischen Haushalt und einem gemeinsamen Finanzminister für die Eurozone zustimmt. Das würde für Deutschland kostspielig.
Mehr Geld aus Berlin für die EU – ist das ein probates Rezept, um Europa zu stärken?
Ja, das wäre ein wichtiger Schritt. Die Möglichkeiten Deutschlands sind deutlich größer als die anderer EU-Staaten. Wir brauchen ein föderatives Modell nach dem Vorbild der Bundesrepublik, wo den schwachen Ländern von den starken geholfen wird. Wir benötigen einen europäischen Finanzausgleich.
Der französische Staatspräsident Macron fordert eine grundlegende Neugründung der Europäischen Union. Wie sollte diese aussehen?
Das würde viel Geld kosten. Die Bundesrepublik hat dieses Geld und schwarze Zahlen. Das wäre in Deutschland aber nur schwer durchsetzbar und würde die AfD weiter stärken.
Erleben wir einen Führungswechsel in Europa? Übernimmt Frankreich jetzt eine stärkere Rolle?
Nein, das ist auch nicht die Absicht des französischen Präsidenten. Er macht Reformvorschläge und will sie gemeinsam mit der deutschen Kanzlerin umsetzen. Frau Merkel wird wahrscheinlich Kanzlerin bleiben, aber deutlich geschwächt. Es wäre gut, wenn 2018 ein deutschfranzösisches Jahr wird. Aber ich fürchte, die Hoffnung wird am Ende enttäuscht.