Digitale Revolution wird sehr schnell gehen
Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft ist Thema bei Neujahrsempfang in Stadthalle
- Jahr für Jahr kommen mehr Menschen zum Neujahrsempfang des Handels- und Gewerbevereins ProTut und des Gränzboten: Mit rund 330 Anmeldungen ist bei der Veranstaltung am Mittwochabend ein neuer Teilnehmerrekord erreicht worden. Thema der Podiumsdiskussion war „Wirtschaft und Gesellschaft im Wandel – wohin geht die Reise in Tuttlingen?“.
Die Digitalisierung und welche Herausforderungen die Wirtschaft dabei zu bewältigen hat, stellte Moderatorin Marion Gaile von Regio TV an den Anfang. Sie fragte aber auch nach den Konsequenzen für die Menschen. „Produktion und Handwerk werden mehr und mehr durch planende und überwachende Tätigkeiten abgelöst“, sagte Michael Martin, Geschäftsführer des Tuttlinger Medizintechnikers KLS Martin Group.
Auch im Vertrieb sieht er eine Änderung des Berufsbildes hin zu Problemlösungen. Insgesamt biete die Digitalisierung am Arbeitsplatz aber den Vorteil, dass der Mensch körperlich nicht mehr so stark gefordert sei. „Die digitale Revolution wird sehr schnell gehen“, ist er sich sicher. Wichtig sei, nicht jedem Trend hinterherzulaufen, sondern sorgfältig abzuwägen, in welche Bereiche man investiere. „Sonst besteht die Gefahr, den Anschluss zu verlieren.“
Ein Wandel in der Arbeitswelt bringt auch eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten mit sich. „Was bedeutet es für den Menschen, wenn die Arbeitszeit nicht mehr unbedingt planbar ist?“, wollte Gaile von Nervenarzt Dr. Frieder Böhme wissen. Stress ergebe sich dadurch vor allem für jene, die für andere Sorge tragen, für Eltern oder pflegende Angehörige. Böhme: „Man muss das ja organisieren können.“Ansonsten gebe es auch viele Menschen, die mit hohen Arbeitszeiten gut zurecht kämen.
Familiäre Strukturen
Beim Thema Mitarbeitergewinnung setzt Wolfram Hensle, Geschäftsführer von zwei Autohäusern in Tuttlingen und Mühlheim, auf familiäre Strukturen wie in einer Familie: Ich bin für meine Mitarbeiter da.“Umgekehrt erwarte er aber auch, dass in Hochzeiten gearbeitet wird – auch nach Weihnachten, wenn andere Urlaub haben.
Die Suche nach dringend benötigten Fachkräften kam mehrfach zur Sprache. Yvonne Glienke, Geschäftsführerin der Tuttlinger Clusterinitiative Medical Mountains, die als Interessenvertreterin die Belange der kleinen und mittelständischen Unternehmen der Medizintechnik-Branche in den Fokus rückt, sieht das Potenzial, mit dem kleinere Firmen wuchern können: „Häufig gibt es dort flachere Hierarchien, der Einzelne kann mehr Verantwortung übernehmen und ist als Allrounder gefragt.“
Wandel in Tuttlingen: Darauf ging Oberbürgermeister Michael Beck ein, ganz konkret am Beispiel der Tuttlinger Innenstadt und den drei Geschäften in Premium-Lagen, die schließen. „Es liegt an uns selbst, ob wir unseren Teil dazu beitragen, ob Geschäfte in unserer für neun Millionen Euro sanierten Fußgängerzone bestehen bleiben können“, sprach er das Kaufverhalten der Bürger an. Die Stadtverwaltung sei ein Partner des Einzelhandels, „das soll auch so bleiben.“Beim neuen Parkkonzept habe die Stadt vor allem die Dauerparker im Blick. „Wir wollen damit nicht den Einzelhandel schädigen.“
Jeder Einzelne gefordert
Landrat Stefan Bär sieht dem Wandel in der Wirtschaft recht gelassen entgegen, sagte er in seinem Grußwort. „Was mir Sorgen macht, ist der Wandel in der Gesellschaft.“Jeder sei aufgefordert, dem anderen mit Respekt zu begegnen, so Bär. Christian Gerards, Redaktionsleiter des Gränzboten Tuttlingen, und Holger Huber vom Vorstandsteam ProTut hatten die Begrüßung an diesem Abend übernommen.