Statt in Therapie auf langen Wartelisten
Psychotherapeutenkammer fordert von Kassen mehr Behandlungsplätze
- Menschen mit seelischen Erkrankungen bekommen statt einer Therapiesitzung oftmals einen Platz auf langen Wartelisten. Zwar ist über die Terminvermittlung ein schneller Sprechstundenbesuch möglich – der ersetzt aber keine Behandlung, sondern liefert eine erste Diagnose. Der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer Dietrich Munz (BPtK) fordert deshalb, dass die Krankenkassen 4000 weitere Behandlungsplätze schaffen sollten.
Munz sieht die Probleme vor allem auf dem Land. Dort müssten psychisch Erkrankte „noch wochen- und monatelang auf eine Psychotherapie warten“, wie er der Nachrichtenagentur dpa sagte. Psychische Erkrankungen würden sich dadurch verschlimmern, Arbeitnehmer unter Umständen lange Zeit ausfallen. Frühzeitige Behandlungen helfen nicht nur den Patienten, sondern könnten zudem Krankengelder langfristig verringern, die die Krankenkassen zahlen müssen. Rund ein Viertel der Kosten entstehen durch psychische Erkrankungen.
„Es gibt ein Verteilungsproblem“, sagt Florian Lanz vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV). „Viele bleiben in den UniStädten, in denen sie studiert haben.“Gerade bei akademisierten Berufen sei das ein strukturelles Problem. In den vergangenen 20 Jahren habe sich die Zahl der Psychotherapeuten zwar um rund 45 Prozent erhöht. Die Verteilung liege aber bei der Psychotherapeutenkammer und der Kassenärztlichen Vereinigung, so Lanz.
Mehr Therapeuten zuzulassen ist in vielen Landkreisen in BadenWürttemberg gar nicht möglich. Der Gesetzgeber hat da klare Vorgaben gemacht. „Ein überversorgter Landkreis wird dann für weitere Zulassungen gesperrt“, sagt Kai Sonntag von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. So sieht es beispielsweise auch im Kreis Ravensburg aus. Statt 53 Therapeuten gibt es im Kreis rund 75. Der Gesetzgeber hat eine Anzahl von Einwohnern festgelegt, für die ein Arzt ausreichend sein soll. Je mehr Ärzte es gebe, desto mehr Rezepte würden verschrieben, so Sonntag. „Damit entstehen höhere Kosten für das Gesundheitswesen.“Die Politik wolle mit dem festgelegten Versorgungsgrad verhindern, dass die Beitragssätze steigen.
Über die sogenannte Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung soll gewährleistet werden, dass Patienten dennoch innerhalb von vier Wochen einen Sprechstundentermin beim Facharzt oder beim Psychotherapeuten bekommen. Letztere wurden erst im April 2017 aufgenommen. Laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sind seither die Terminanfragen deutlich gestiegen. Bei rund 40 Prozent der Anrufe ging es um Termine für die Psychotherapie. Damit sind diese Patienten direkt zur meistvermittelten Gruppe aufgestiegen.
Zwar kann das Problem so eingedämmt werden, die Lösung ist es aber noch nicht. Die Psychotherapeutin Maren Dietrich aus Ravensburg plädiert ebenfalls für mehr Behandlungsplätze. „Für die Versorgung der Patienten bringt die Sprechstunde nicht viel. Die Therapeuten werden dadurch ja nicht mehr“, sagt sie. Eine Garantie für einen anschließenden Therapieplatz gebe es zudem auch nicht, ergänzt ihre Kollegin Gertrud Rimmele, ebenfalls aus Ravensburg. Eine Therapie würde dann aber mehrere Sitzungen – je nach Erkrankung – erfordern. In der Sprechstunde, die von der Servicestelle vermittelt wird, kann eine Diagnose erstellt und ein erstes Vertrauensverhältnis zwischen Therapeut und Patient hergestellt werden. Wer sich in einer akuten Krise befindet, dem können Therapeuten unter Umständen auch schon in einer der Sprechstunden helfen.
Das bestätigt auch Sonntag. Bei den Psychotherapeuten müsse man außerdem beachten, dass die Behandlungen – also die Therapie – längere Zeit in Anspruch nehmen, als beispielsweise der Besuch beim Hausarzt. Um die Wartelisten zu umgehen, rät er: „Radius erweitern und eventuell weiter fahren.“
Aus Expertenkreisen kommt aber auch Kritik an den Therapeuten. Manche hätten zu lange Behandlungszeiten. Das Konzept sollte da – je nach Patient – eventuell überdacht werden, ob es angemessen sei. Vor allem bei den Psychoanalytikern, heißt es.