Kinderreiche sind öfter arm
Neue Studie belegt höheres Armutsrisiko für Familien
(epd/dpa) - Das Armutsrisiko von Familien ist laut einer neuen Studie größer als angenommen. Drastisch sei die Situation für Alleinerziehende, erklärte die Bertelsmann Stiftung am Mittwoch in Gütersloh. Mit einer neu entwickelten Methodik haben Wissenschaftler für alleinerziehende Eltern eine Armutsrisikoquote von 68 Prozent errechnet. Das seien über 20 Prozentpunkte mehr als in früheren Studien. Die neue Untersuchung zeigt zudem, dass in den vergangenen 25 Jahren Paare mit Kindern im Schnitt finanziell stets schlechter gestellt waren als kinderlose Paare. „Mit jedem zusätzlichen Kind wird die finanzielle Lage von Familien schwieriger“, sagte Jörg Dräger von der Bertelsmann Stiftung. Demnach war 2015 rund jedes achte Paar (13 Prozent) mit einem Kind armutsgefährdet, rund jedes sechste Paar mit zwei Kindern (16 Prozent) und fast jedes fünfte (18 Prozent) mit drei Kindern.
(epd/KNA) Die Kluft zwischen wohlhabenden und armen Familien hat sich einer Studie zufolge in den vergangenen 25 Jahren stärker vergrößert als bisher angenommen. Eine neue Berechnungsmethode von Forschern der Ruhr-Universität Bochum zeige, dass das Armutsrisiko von gering verdienenden Eltern knapp drei Prozentpunkte über bisher geschätzten Werten liegt, erklärte die Bertelsmann Stiftung am Mittwoch in Gütersloh.
Besonders drastisch ist demnach die Situation von Alleinerziehenden. Für diese Gruppe errechneten die Professorin für Sozialpolitik, Notburga Ott, und der Sozialökonom Martin Werding eine Risikoquote von 68 Prozent. Das seien über 20 Prozentpunkte mehr als in früheren Untersuchungen.
Nach EU-Definition gilt als arm, wer als Alleinlebender weniger als 60 Prozent des jeweils mittleren Einkommens verdient. Die Grenze erhöht sich bei mehreren Menschen im Haushalt und liegt für Alleinerziehende mit einem Kind um knapp ein Drittel höher, für ein kinderloses Paar um die Hälfte höher und für eine Familie mit zwei Kindern gut doppelt so hoch. Diese Gewichtung geht zurück auf eine Skala der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Forscher kritisieren OECD-Skala
Die Bochumer Forscher kritisieren die OECD-Skala. Diese gewichte Kinder zu niedrig. Für die Studie verglichen die Forscher empirische Daten des Statistischen Bundesamtes zur Einkommenssituation von Familien und kinderlosen Paaren seit Anfang der 1990er-Jahre. Dabei wurde ermittelt, welche zusätzlichen Kosten durch Kinder und Jugendliche entstehen – von Windelkäufen über Schulmaterialien bis hin zu Klassenfahrten.
In einer ersten Stellungnahme sagte eine Sprecherin des Bundessozialministeriums, die Studie gebe keinen Anlass, an der bisherigen Berechnung etwas zu ändern. Die OECD-Skala richte sich nach in der Wissenschaft verbreiteten Konventionen. Bertelsmann-Stiftungsvorstand Jörg Dräger erklärte dagegen, die Untersuchung bestätige, dass in den vergangenen 25 Jahren Paare mit Kindern oder Alleinerziehende finanziell schlechter gestellt waren als kinderlose Paare. „Mit jedem zusätzlichen Kind wird die finanzielle Lage von Familien schwieriger.“Nur Familien, in denen etwa Frauen in größerem Umfang als zuvor arbeiteten, hätten ihre Einkommenssituation halten oder verbessern können. Dagegen hätten Kindergelderhöhungen keine nachhaltige Verbesserung gebracht.
Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD) erklärte, Kinderarmut sei „eines der drängendsten Probleme in unserem Land“, mit dem sich die neue Bundesregierung befassen müsse. In den Koalitionsgesprächen habe man bereits ein Paket zur Bekämpfung von Kinderarmut durchsetzen können. Künftig soll der Kinderzuschlag für Einkommensschwache erhöht werden, der bedürftigen Kindern ein garantiertes Existenzminimum sichern soll. Das Kindergeld soll um 25 Euro pro Kind steigen und im Grundgesetz ein Kindergrundrecht verankert werden.