Viele Fragen an Zuckerberg
Bundesregierung verlangt Aufklärung – Ab Mai vereinfacht EU-Recht den Umzug von Daten
- Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat sich im Skandal um den Missbrauch der Daten von Dutzenden Millionen Nutzern durch die Firma Cambridge Analytica entschuldigt. Doch für die Politik ist der Fall damit noch lange nicht abgeschlossen. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) lud europäische Manager von Facebook für kommenden Montag ein und sprach von einem „handfesten Skandal“.
„Ich verlange Aufklärung darüber, wie es zu diesem Vorgang kommen konnte, ob Nutzerinen und Nutzer deutscher Accounts davon betroffen sind und was Facebook gedenkt zu tun, um die Wiederholung solcher Fälle zu verhindern“, sagte Barley am Donnerstag in Berlin. Die EU-Justizkommissarin Vera Jourová warnte angesichts des Datenskandals gar davor, die Demokratie sei bedroht.
Zuckerberg schlug in einem Facebook-Eintrag und einer Serie von Interviews mit US-Medien einen demütigen Ton an. Facebook werde den Schutz der Nutzerdaten stärken und er sei bereit, falls nötig auch vor dem US-Kongress zu dem Datenskandal auszusagen, sagte er in einem CNNInterview.
Wer sich als Facebook-Nutzer nicht darauf verlassen will, hat ab Ende Mai das Recht, mit seinem Nutzerprofil zu anderen Anbietern umzuziehen. Die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union macht das möglich.
Wegen des aktuellen Datenskandals dürfte dies vor allem FacebookNutzer interessieren. 50 Millionen Nutzerkonten oder mehr persönliche Datensätze des sozialen Netzwerks soll die britisch-amerikanische Firma Cambridge Analytica ohne Einverständnis der Kunden ausgewertet haben, um die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten und die Anti-EU-Kampagne in Großbritannien zu unterstützen.
Daten-Umzug möglich
Bisher haben Facebook-Nutzer, die die Praktiken des kalifornischen Konzerns kritisieren, keine Chance umzuziehen. Sie können ihre Konten zwar deaktivieren und löschen. Aber dann sind alle Inhalte verloren. Das ändert sich am 25. Mai: „Dann müssen sogenannte Datenverarbeiter ihren Kunden auf deren Wunsch die persönlichen Daten zur Verfügung stellen und ihnen den Wechsel zu anderen Anbietern ermöglichen“, sagt Christine Steffen, Juristin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Der Artikel 20 der Datenschutzgrundverordnung regelt die sogenannte Datenübertragbarkeit. Jeder hat das Recht, seine Daten „in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format zu erhalten“und „sie einem anderen ohne Behinderung zu übermitteln“. Das gilt nicht nur für soziale Netzwerke, sondern auch für andere Datenverarbeiter wie E-Mail-Provider, Foto-Plattformen und Kfz-Versicherungen. Wenn sie wechseln wollen, können Nutzer das von Facebook künftig verlangen. Im jeweiligen Profil sollte es dafür einen leicht auffindbaren Befehl geben. Für die Identifikation als Besitzer des Profils werden beispielsweise die persönliche E-MailAdresse und das Passwort ausreichen. Solche Details sind allerdings noch nicht klar, sagt VZ-Mitarbeiterin Steffen. „Sie stehen nicht in der Verordnung und werden sich erst in der Praxis zeigen.“Facebook ist gegenwärtig nicht bereit, Informationen dazu mitzuteilen. Im nächsten Schritt muss das soziale Netzwerk den wechselwilligen „Nutzern alle diejenigen Daten als Kopie zur Verfügung stellen, die diese selbst dem Verarbeiter bereitgestellt haben“, sagt Dirk Hensel, der Sprecher der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff. Darüber, welche das genau sind, wird es wohl Debatten geben. Klar erscheint, dass jeder die Daten erhalten muss, die er oder sie selbst eingetragen hat – beispielsweise alle Infos in der sogenannten Timeline (der FacebookBiografie), alle eigenen Nachrichten, Fotos, Kommentare und Likes. Ob auch die Reaktionen und Antworten der Freunde dazugehören, ist fraglich.
Facebook ist verpflichtet, die Daten so zu verpacken, dass andere Anbieter sie in ihre Systeme einbauen können. Allerdings existiert das zur Konkurrenz übertragene Profil bei Facebook weiter. Wer das nicht will, kann sein Profil mit dem in den Kontoeinstellungen enthaltenen Befehl „deaktivieren“. So ist es für andere nicht mehr sichtbar. Wenn man seine Facebook-Präsenz komplett beenden möchte, sucht man in der Hilfefunktion nach „Konto löschen“und klickt dann im angezeigten Text auf „...teile es uns mit“.
Sollte es Probleme mit diesem Verfahren geben, können sich die Nutzer an den Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar wenden, der für Facebook zuständig ist. Geht es um E-Mail-, Messengerund andere Firmen, fragt man die Datenschützer der Bundesländer oder die Bundesbeauftragte Voßhoff.
Bleibt die Frage, wohin man nach dem Abschied von Facebook geht. Zur Verfügung stehen andere Netzwerke, die aber viel weniger Nutzer haben und meist nur eingeschränkte Kommunikation bieten. LinkedIn oder Xing werden für beruflichen Austausch genutzt, Messenger wie Signal dienen als Plattform für Kurznachrichten. Und das Netzwerk Diaspora ist bisher nur Insidern bekannt. Angesichts der marktbeherrschenden Stellung mit bis zu zwei Milliarden Nutzern weltweit braucht sich Facebook vorläufig wohl keine Sorgen machen, dass ihm die Menschen in Scharen davonlaufen. Ich erwarte zum einen die Erkenntnis, dass das Vertrauen der Nutzerinnen und Nutzer das wichtigste Kapital von Facebook ist und nicht der Börsenkurs. Die Verluste bei letzterem können besser berechnet werden, aber das Vertrauen zurückzugewinnen wird länger dauern. Selbstkritische Posts von Mark Zuckerberg reichen nicht aus. Zuerst müssen alle Mitglieder informiert werden, deren Daten an Cambridge Analytica gegangen sind. Dazu muss das angekündigte „Privacy Centre“von Facebook seinem Namen gerecht werden und sollte von neutralen Dritten überprüft werden. Beschwerden von Mitgliedern müssen endlich ernst genommen und schnell und transparent bearbeitet werden.
Schon in der Vergangenheit hat die Bundesregierung Facebook zur Einhaltung des Datenschutzes gedrängt – offenbar ohne Erfolg. Warum sollte es diesmal gelingen?
Weil wir erstmals mit der Datenschutzgrundverordnung ein neues Mittel in der Hand haben. Nun treten wir mit den anderen europäischen Mitgliedsstaaten stärker auf. Facebook kann sich nicht erlauben, einen Markt von über einer halben Milliarde Menschen zu missachten. Dass die US-amerikanische Regierung ebenfalls über Maßnahmen nachdenkt, hilft da sicher zusätzlich.
Hat Facebook das Vertrauen der Nutzer verspielt? Wie sollten sich die Nutzer jetzt verhalten?
Ob das Vertrauen weg ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Aber der Sinn sozialer Medien ist unter anderem die Weitergabe von Informationen. Also gilt es, sich bewusst zu machen, dass man dort nur Informationen einstellen sollte, die auch andere erfahren dürfen. Man schafft mit seinen Informationen ja ein Abbild von sich selbst und da darf man wie ein Kurator einer Ausstellung selbst entscheiden, was man präsentiert. Dazu gilt auf Facebook das Gleiche wie im Internet: Alles hat seinen Preis. Angebliche Kostenlos-Angebote bezahlen Sie mit der harten Währung Ihrer persönlichen Daten, wie es bei der Umfrage der Fall war, die Cambridge Analytica die Informationen verschafft hat.