Tourneesieger Thomas Diethart springt nicht mehr
(lin) - Von Thomas Diethart gibt es hübsche Geschichten. Eine geht so: An seinem ersten Kindergartentag klettert Klein-Thomas auf dem Heimweg auf einen Lichtmast, und die Leute fragen, wem, bitteschön, dieses Kind gehöre. Eine andere: Thomas Diethart hüpfte, nur wenig älter, auf Alpinski begeistert über jeden sich bietenden Hügel. Das Problem: Skisprunganlagen gab es keine in Michelhausen, Bezirk Tulln/ Niederösterreich. Seinen Heimatort beschrieb Thomas Diethart später gerne so: „Die höchste Erhebung ist der Kirchturm. Sonst ist es dort brettl-eben.“Die nächste Schanze? Hinzenbach, zwei Stunden weg. Die Straße wurde für Vater Gernot Diethart und seinen Filius Wohnzimmer; 50 000 Kilometer im Jahr kamen zusammen. Und zahllose Übernachtungen auf mitgebrachten Matratzen im Materialraum unter dem Bakken.
All das sollte sich (die schönste Geschichte!) gelohnt haben, als Thomas Diethart zur 62. Vierschanzentournee durfte: Mit 21, nach gerade vier Weltcup-Einsätzen. Was dann am 29. Dezember 2013, am 1., 4. und 6. Januar 2014 geschah, liest sich in Platzierungen so: Dritter, Erster, Fünfter, Erster, Vierschanzentourneesieger. Einer, den keiner auf der Rechnung hatte. Dessen Qualitäten: prima körperliche Voraussetzungen, immense Sprungkraft, extreme Nervenstärke. Und, so wusste es Markus Schiffner, der Vereinskumpel im Schiclub Union Volksbank Hinzenbach: „Der Thomas ist halt eine Wettkampf-Sau.“
Jetzt nicht mehr. Am Montag hat Thomas Diethart das Ende seiner Karriere bekannt gegeben. „Das war’s! Danke an alle, die mich unterstützt haben. Ich werde dieses Gefühl des Fliegens vermissen“, schrieb der 26-Jährige auf Facebook. Das Hoch war vorbei nach Team-Olympiasilber 2014 in Sotschi. Man kennt das: das zweite Jahr – Erfolg, der bestätigt sein will. Hart landete Thomas Diethart jetzt, brutal hart: Stürze im Februar 2016 in Brotterode, im Mai 2016 in Stams und vergangenen November in Ramsau! Heftigste Stürze, die Diagnose zuletzt: schwere Gehirnerschütterung samt leichter Einblutung ins Gehirn, Lungenquetschung, starke Abschürfungen und Rissquetschwunde im Gesicht. „Vielleicht“, sagte Thomas Diethart damals, „sollte ich einmal etwas anderes versuchen.“Jetzt lässt sich der gelernte Industriemechaniker zum Gesundheits-, Fitnessund Ernährungstrainer ausbilden. Und sagt: „Drei Stürze in zwei Jahren sind ein starkes Zeichen, dass es nicht schlau ist, weiterzumachen.“
Hübsche Geschichte? Gutes Ende!