Bosch will Diesel retten
Neue Reinigungstechnik soll Stickstoff-Problem lösen
(ben) - Der weltgrößte Autozulieferer Bosch hat ein System zur Abgasreinigung vorgestellt, mit dem Dieselautos schon heute die Stickoxid-Grenzwerte der Zukunft einhalten sollen. „Das Stickoxid-Problem im Straßenverkehr ist technisch lösbar“, sagte Vorstandschef Volkmar Denner am Mittwoch in Renningen. Mit dem Programm will der Technologiekonzern den Niedergang des Motors stoppen und sich zugleich einen wichtigen Geschäftsbereich der Zukunft sichern.
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen, hält den Ansatz von Bosch für funktional, er sei aber alles andere als neu. „Wir könnten seit fünf Jahren saubere Diesel haben“, sagte Dudenhöffer im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Die Autobauer haben eben nur die Minimallösungen für ihre Pkw genommen, weil ihnen der Komfort wichtiger war. Das war mehr als dumm.“
- Bosch-Chef Volkmar Denner muss sich seiner Sache sehr sicher sein. Selbstbewusst stellt sich der sonst eher zurückhaltend agierende Vorstandsvorsitzende des weltgrößten Autozulieferers hin und erklärte ein Problem für gelöst, das seine Branche seit Jahren beschäftigt. „Das Stickoxid-Problem im Straßenverkehr ist technisch lösbar“, sagte der 61-Jährige. „Der Diesel kann wieder durchstarten.“
Eine von Bosch neu entwickelte Technik zur Abgasreinigung stelle sicher, dass Dieselfahrzeuge schon heute die Stickoxid-Grenzwerte der Zukunft einhalten, erklärte Denner am Mittwoch auf der Bilanzpressekonferenz des baden-württembergischen Traditionskonzerns in Renningen. Eine Kombination aus optimierter Einspritztechnik, neu entwickelten Luftsystemen und einem intelligenten Temperaturmanagement mache das möglich. Damit kann, so führte Denner aus, Bosch die Emissionen auf den Wert von 13 Milligramm pro gefahrenen Kilometer im normalen Straßeneinsatz senken. Heute dürfen Autos im Realbetrieb 168 Milligramm Stickoxid pro Kilometer ausstoßen, 2020 soll der Grenzwert auf 120 Milligramm sinken.
Bratzel: „Kein Durchbruch“
„Nach unserem Durchbruch sind wir sicher: Dem Selbstzünder wird in Zukunft niemand die Einfahrt in die Städte pauschal verbieten können“, betonte Denner. „Der Diesel wird seinen Platz im urbanen Verkehr halten, ob für Handwerker oder Pendler.“Die Technik sei einsatzbereit, die Autobauer können sie nach Angaben von Bosch von sofort an für ihre Serienproduktion nutzen. Die Kosten pro Auto liegen im mittleren dreistelligen Bereich. Vor allem funktioniere das neue System unabhängig von Außentemperaturen, Fahrstil und Streckenprofil.
Noch am Dienstag habe der Konzern bei einem Straßentest die Werte mit konzernfremden Fahrern im Stadtverkehr von Stuttgart überprüft. Am Donnerstag will Bosch die Technik auf dem weltweit wichtigsten Treffen von Motorenentwicklern, dem Motorensymposium in Wien, vorstellen. „Wir präsentieren die Technik dort den führenden Experten“, sagte Denner. „Dieser Prüfung stellen wir uns gerne.“
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßte die Ankündigung von Bosch. „Es ist klasse, was Volkmar Denner sagt. Denn er gibt zu, dass es technisch kein Problem ist, die künftigen Grenzwerte weit zu unterschreiten“, sagte DUH-Hauptgeschäftsführer Jürgen Resch der „Schwäbischen Zeitung“. „Er gibt zu, dass man nichts Neues erfinden muss, denn alle Komponenten, die man braucht, sind im Markt vorhanden.“Nach der Ankündigung sei nun die Politik gefordert, die Grenzwerte in Zukunft streng zu kontrollieren. „Keiner kann jetzt mehr sagen, dass das nicht möglich ist.“
Für Stefan Bratzel, den Direktor des Center of Automotive Management an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach, ist die neue Technik von Bosch möglicherweise ein System, das die Dieseltechnologie in Europa für eine Übergangszeit wieder interessant machen könnte. „Die Begriffe Revolution und Durchbruch würde ich jetzt nicht verwenden, für mich ist es eher eine Evolution“, sagte Bratzel. „Vielleicht hilft die Technik, die Diskussion wieder rationeller zu führen, aber die Lösung aller Probleme ist sie sicher nicht.“ Vor allem sei völlig offen, ob das System von Bosch das Vertrauen der Endverbraucher zurückbringen wird.
Genau darauf setzt der Autozulieferer jedoch – und zwar aus purem Eigennutz. Immerhin 25 000 oder mehr als sechs Prozent der weltweit rund 400 000 Mitarbeiter arbeiten bei Bosch an Pkw-Dieselantrieben. „Wir würden das nicht machen, wenn wir nicht glauben würden, dass wir mit dieser Technik den Trend beim Diesel umdrehen könnten“, sagte Denner. Unklar ist allerdings, wie lange es dauert, bis die neue Technik auf der Straße sein wird, denn Bosch verkauft keine kompletten Motoren. Die Autobauer müssen die Technik erst in ihre neuen Modelle integrieren. Und den Besitzern älterer Dieselfahrzeuge nützt das System von Bosch allerdings nichts, weil es auf die Abgasreinigung mit Harnstoff aufbaut. Das Problem dieser Autos müsse man bei den Autobauern lösen. „Wir unterstützen unsere Kunden bei der Umrüstung alter Fahrzeuge, aber ob das mit einer Softwareoder Hardwarelösung geschieht, das entscheiden die Hersteller“, sagte Denner.
Bosch betont diese Dienstleisterrolle allerdings nicht nur im Hinblick auf normale Kundenaufträge, sondern auch in Bezug auf die Rolle des Konzerns im Dieselabgasskandal. Bosch liefert die Technik, mit der die Autobauer die Motoren manipulierten, so das Narrativ, das der Zulieferer bevorzugt.
Nach Informationen des „Spiegel“könnte der Konzern allerdings deutlich tiefer in den Betrug verstrickt sein als bislang bekannt. „Internen Protokollen und E-Mails aus den Jahren 2006 und 2007 zufolge haben Techniker von Bosch sich mit deutschen Autoherstellern wie VW, Daimler und BMW minutiös über mögliche Manipulationsfunktionen in der Steuerungssoftware ausgetauscht und abgestimmt“, schreibt jetzt das Nachrichtenmagazin. Diesem Vorwurf setzte Denner einen neuen Kodex entgegen, der Entwicklern künftig den Einbau von Funktionen verbietet, die Testzyklen erkennen und die Technik für Tests anders einstellen als im Normalbetrieb – egal, was die Kunden verlangen. „Im Zweifel haben die BoschWerte Vorrang vor Kundenwünschen“, sagte Denner. Auch das klang selbstbewusst und offensiv.