Vor dem dritten Prozesstag verbreitet Tolu Optimismus und Zuversicht
Istanbuler Gericht verhandelt über die Vorwürfe gegen die Ulmer Journalistin, ihren Mann und 25 weitere Angeklagte
- Mesale Tolu, die aus Ulm stammende Übersetzerin und Journalistin, ist ebenso wie ihre Familie vor dem dritten Verhandlungstag am heutigen Donnerstag vor einem Istanbuler Gericht optimistisch, dass die türkische Justiz das Ausreiseverbot aufheben wird. Im Gespräch mit dem Fernsehsender RegioTV Schwaben sagte die 33-Jährige, dass sich das Verfahren nach ihrer Einschätzung noch ein bis zwei Jahre hinziehen könne.
Am Ende rechne sie aber nicht damit, wieder ins Gefängnis zu müssen. Die Vorwürfe gegen sie seien haltlos. Aber sie sei zuversichtlich, schon bald in ihre Heimatstadt Ulm reisen zu können. Für ihren dreijährigen Sohn Serkan ist in Ulm ein Kindergartenplatz reserviert: „Ich möchte, dass er in Sicherheit ist und einen normalen Alltag leben kann“, so Tolu.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihr, ihrem mitangeklagten Ehemann Suat Corlu und 25 weiteren Beschuldigten Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vor. Die Angeklagten weisen das zurück. Tolu war Ende April vergangenen Jahres verhaftet worden. Im Dezember war sie nach massivem Druck der Bundesregierung aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Das Gericht verhängte aber eine Ausreisesperre, Tolu muss sich jede Woche bei der Polizei melden. Auch ihr Ehemann darf nicht ausreisen.
Die Journalistin hat vor ihrer Verhaftung für die linke Nachrichtenagentur Etkin News Agency (Etha) gearbeitet. Mit einem Urteil wird am Donnerstag auch unter Prozessbeobachtern nicht gerechnet. In Ulm teilten am Mittwochabend Familienangehörige und Freunde den Optimismus Tolus. Bei der 37. Kundgebung für die Freilassung Mesale Tolus berichtete Cengiz Dogan, der Sprecher des Solidaritätskreises, dass Mesale Tolu in einem Telefonat am Mittwochmorgen auch auf die Fälle der vielen in der Türkei inhaftierten Journalisten hingewiesen hätte: „Sie wünscht sich, dass diese Kollegen in Deutschland nicht in Vergessenheit geraten.“
Sie hoffe, dass die Krise um die Inhaftierung von Deutschen in der Türkei eines bewirkt habe, nämlich „dass sich die deutsche Öffentlichkeit mehr für die Lage der Menschenrechte in der Türkei interessiert.“Dogan zeigte sich zuversichtlich, dass Tolu bald die Türkei verlassen könne: „Präsident Erdogan steht kurz vor Neuwahlen und will als Politiker wahrgenommen werden, der für Freiheit steht.“
Den dritten Prozesstag in Istanbul wird die Tübinger Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Heike Hänsel, beobachten: „Ich erwarte, dass das Ausreiseverbot für Mesale Tolu endlich aufgehoben wird und sie die Türkei verlassen kann, so wie Peter Steudtner und Deniz Yücel“, sagte Hänsel der „Schwäbischen Zeitung“.
Der „Welt“-Korrespondent Yücel und der Menschenrechtler Steudtner durften ausreisen, auch wenn ihre Prozesse weiterlaufen. Beide verließen die Türkei unmittelbar nach ihrer Freilassung, eine Verurteilung dort bliebe für sie erst mal folgenlos.
Die Vorwürfe gegen die Ulmerin seien konstruiert und haltlos, sagte Hänsel weiter: „Mesale Tolu ist eine politische Geisel Erdogans und muss endlich freikommen, um mit ihrer Familie ausreisen zu können.“
Die Bundesregierung könne nach der Freilassung von Steudtner und Yücel nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. „Mesale Tolu ist nach wie vor nicht frei und nun ist zudem erneut ein deutscher Journalist, Adil Demirci, verhaftet worden.“Hänsel fordert von Berlin „keinerlei Wahlkampfhilfe für Erdogan und den Stopp jeglicher Rüstungsexporte und Hilfszahlungen“.