Bei der Wahl im Irak redet Iran ein Wörtchen mit
Premierminister Haider al-Abadi gilt als verlässlicher Partner des Westens
- Wenn die rund 25 Millionen Wähler im Irak an diesem Samstag zu den Urnen gerufen werden, geht es nicht nur um 329 Parlamentssitze und eine neue Regierung für die nächsten vier Jahre. Mit der Wahl steht noch eine weitere wichtige Frage zur Debatte: die nach dem Einfluss des östlichen Nachbarn Iran. Mehrere teherantreue Gruppen bewerben sich um einen Einzug ins Parlament. Die Hoffnungen pro-iranischer Akteure erhielten kurz vor der Wahl jedoch einen Dämpfer. Der einflussreiche Groß-Ayatollah Ali alSistani, das geistliche Oberhaupt der irakischen Schiiten, ging auf Distanz zu Iran und stärkte damit die Position von Ministerpräsident Haider alAbadi, der als verlässlicher Partner des Westens gilt.
Seit dem Abzug der US-Truppen aus dem Irak zu Beginn des Jahrzehnts hat die schiitische Regionalmacht Iran ihren Einfluss im ebenfalls mehrheitlich schiitischen Irak systematisch ausgebaut. Teheran ist der wichtigste Handelspartner der Iraker und wirkte im vergangenen Jahr beim Sieg über den „Islamischen Staat“(IS) mit, der weite Teile des irakischen Staatsgebietes unter seine Kontrolle gebracht hatte. Doch nicht alle Schiiten im Irak hören auf die Kommandos aus Teheran. Die Wahl am Samstag wird deshalb Aufschluss über die Reichweite des iranischen Einflusses geben.
Mehrere schiitische Akteure kämpfen um die Macht. Die pro-iranischen Kämpfer der schiitischen Volksmobilisierungseinheiten (PMU) wollen ihre Erfolge gegen den IS und ihre Opferbereitschaft auf den Schlachtfeldern in politische Macht ummünzen und bieten 700 Parlamentskandidaten auf. Die Milizionäre wollen ihren Chef, den früheren Verkehrsminister Hadi alAmiri, im Ministerpräsidentenamt sehen.
Auch Ex-Premier Nuri al-Maliki, ein schiitischer Hardliner mit engen Kontakten zu Iran, tritt wieder an. Al-Maliki hat allerdings ein Problem. Ihm werden Korruptionsexzesse und die Verantwortung für die militärischen Niederlagen gegen den IS im Jahr 2014 angelastet. Damals liefen Einheiten der irakischen Armee vor den vorrückenden Extremisten davon. Al-Abadi riss das Steuer schließlich herum. Als Ayatollah alSistani jetzt die Iraker aufrief, sie sollten allen Politikern eine Absage erteilen, die „korrupt sind und versagt haben“, zielte er damit auf alMaliki. Nutznießer könnte al-Abadi sein.
Gegengewicht zu Teheran
Das sehen offenbar auch die Iraner so. Laut Medienberichten haben sie schiitische und kurdische Gruppen aufgerufen, sie sollten al-Abadis Wiederwahl verhindern. Dagegen setzen die USA auf al-Abadi als politisches Gegengewicht zu Teheran. Ob der Premier die Erwartungen der Amerikaner erfüllen kann, ist aber ungewiss. Auch al-Abadi paktiere hin und wieder mit pro-iranischen Kräften, schrieb Ranj Alaaldin von der amerikanischen Brookings Institution in einer Analyse.
Gleich wie die Wahl ausgehen wird: Der Sieger steht vor immensen Herausforderungen. Auch 15 Jahre nach dem Sturz von Saddam Hussein versagt das ölreiche Land bei grundlegenden Dienstleistungen wie einer verlässlichen Stromversorgung für seine Bürger. Der Gesamtfinanzbedarf für den Aufbau zerstörter Institutionen und Infraktruktur wird auf rund 90 Milliarden Dollar beziffert.
Zudem leiden die Iraker nach wie vor unter Gewalt. Insbesondere unter al-Malikis Regierung vertieften sich die Gräben zwischen Schiiten und Sunniten, was zu einem wichtigen Faktor beim Aufstieg des radikalsunnitischen IS wurde. Der Wiederaufbau sunnitischer Regionen sei deshalb von besonderer Bedeutung, sagt der Nahost-Experte Charles Dunne vom Middle East Institute in Washington. „Die Regierung muss die Rechte der Sunnis respektieren“, mahnt Dunne. Sonst drohe eine neue Eskalation.
Auch ist der Kampf gegen den IS noch nicht völlig ausgestanden. Die Dschihadisten drohen mit Anschlägen gegen irakische Wahllokale und rufen die Sunniten im Land zum Boykott des Urnengangs auf. Laut Behördenangaben erschossen IS-Mitglieder am Montag südlich von Mossul einen Parlamentskandidaten. Am Wochenende hatten irakische Kampfflugzeuge zudem im benachbarten Syrien ein Gebäude angegriffen, in dem sich führende IS-Mitglieder getroffen haben sollen. Weitere Militärschläge könnten folgen, erklärten die Sicherheitsbehörden.
Trotz aller Probleme ist das Wichtigste, dass sie überhaupt stattfindet und dass sich die Wähler zwischen mehreren politischen und personellen Alternativen entscheiden können: Das ist im Nahen Osten keine Selbstverständlichkeit.