Die Welt des Drazen D.
Angeklagter schildert, wie sehr ihn sein Sohn liebte und wir er ihn tötete
- Wie der Dreifachmord von Villingendorf im vergangenen September abgelaufen ist, weiß nur der Täter. Am Mittwoch hat Drazen D. vor dem Landgericht Rottweil nach langem, beharrlichem Schweigen ein Geständnis abgelegt und seine Version ausführlich geschildert. Es ist eine Version, die einen ratlos zurücklässt.
Es ist Ende März 2017, als Drazen D. von seiner Ex-Freundin „zum Abschlussgespräch“in ein Tuttlinger Burger-Lokal gebeten wird. „Ich dachte, ich sehe meinen Sohn Dario zum letzten Mal“, sagt der 41-Jährige vor Gericht. Das Treffen nimmt einen überraschenden Verlauf. „Ich werde das nie vergessen“, sagt Drazen D. Er beginnt zu weinen, kann nicht weiterreden. Karlheinz Münzer, der Vorsitzende Richter, verschiebt den Punkt auf später. Man denkt sich, der Sohn habe zum Vater damals ein paar böse Worte gesagt.
Auch der zweite Versuch erweist sich als schwierig. Der Mann auf der Anklagebank, der seit März so gut wie keine Regung gezeigt hat, beginnt zu schluchzen, seine Worte sind kaum zu verstehen. Er sagt: „Mein Sohn hat gesagt, dass er mich sehr liebt, mehr als seine Mutter.“Die sei ihm deshalb über den Mund gefahren.
In den Wochen nach dem Treffen in Tuttlingen fährt Drazen D. immer wieder an der Wohnung in Villingendorf vorbei, wohin Dario mit seiner Mutter und ihrem neuem Freund heimlich gezogen ist. „Ich wollte meinem Sohn nahe sein, ich hatte Sehnsucht nach ihm. Ich habe ihn über alles geliebt“, beteuert er vor Gericht.
Angeklagter spricht über den Tathergang
Am 14. September 2017, dem Tag der Einschulung seines Sohnes, tritt Drazen D. aus der Dunkelheit mit einem jugoslawischen Kriegsgewehr auf die Terrasse, sagt in Richtung seiner Ex-Freundin: „Guten Abend, jetzt können wir über die Wahrheit reden.“Unvermittelt schießt er dann auf deren neuen Partner. „Er hat nur noch gezuckt“, sagt er zu Richter Münzer. Daneben habe eine Frau gestanden, die er noch nie gesehen habe und die ihn angefleht habe, sie und ihre Tochter nicht zu erschießen.
Drazen D. geht, während seine ExFreundin wegrennt, ins Wohnzimmer, sieht das kleine Mädchen, nicht aber seinen Sohn, der „mit zitternden Füßchen“hinter dem Vorhang steht, wie seine Mutter berichtet hat. Drazen D. läuft zurück zur Terrasse und erschießt die 29-jährige, ihm wildfremde Frau und Mutter zweier kleiner Kinder, die an diesem Abend eher zufällig und nur kurz vorbeischauen wollte.
Dann kehrt er zurück ins Wohnzimmer. Das kleine Mädchen hat sich im Bad versteckt. Dario sitzt auf der Couch. „Ich glaube, er hat laut geweint“, sagt der Vater. Er richtet das Kriegsgewehr auch auf ihn und tötet seinen Sohn mit drei Schüssen aus 50 Zentimeter Entfernung. „Ich bin dann ganz langsam und planlos weggegangen, wie wenn nichts passiert ist“, sagt er.
Wie ist das zu erklären? „Ich habe wie ein Roboter gehandelt, ich war wie in Trance. Ich war in einer anderen Welt“, erklärt Drazen D., jetzt wieder ziemlich nüchtern. „Ich hatte den Finger am Abzug, wollte aber nichts schießen.“Völlig überraschend für ihn sei dieser Mann dagewesen.
Drazen D. berichtet, wie sich im Vorfeld eine Wut in ihm aufgestaut habe. Von einem Anruf seiner ExFreundin mit dem Hinweis, gleich werde sich ein Unbekannter bei ihm melden. Es rief dann ein Mann an, der sich als neuer Partner von ihr vorstellte und erklärte, ab sofort werde er entscheiden, wann der Vater seinen Sohn sehen dürfe.
Drazen D. spricht von einem Doppelleben seiner Ex-Freundin
Drazen D., berichtet von „einem Doppelleben“, angeblichen Eskapaden seiner „spielsüchtigen“ExFreundin, die weiterhin im Radolfzeller Swingerclub ihres Ex-Ehemanns gearbeitet, sich als EscortGirl verdingt und Männer „abgezockt“habe. Zuvor hatten schon verschiedene Zeugen über einen nicht immer seriösen Lebensstil der Frau berichtet. Schließlich schildert der Angeklagte noch, wie er nachts von drei Männer bedroht und gewarnt worden sei, sich seiner Ex-Freundin und seinem Sohn zu nähern. Das habe er bei der Polizei angezeigt.
Im Übrigen bestreitet er weitgehend all die Drohungen und Gewaltexzesses, die ihm zahlreiche Zeugen vor Gericht vorgeworfen haben. Nicht nur Oberstaatsanwalt Joachim Dittrich wundert sich: „Wie erklären Sie sich das?“„Jeder hat Fehler gemacht“, antwortet der Angeklagte: „Und wenn man bei uns auf dem Balkan jemand sagt ,Ich bringe dich um’, dann ist das meistens Spaß!“
Dann sagt der geständige Täter noch, er wünsche seiner Ex-Frau, den beiden Kindern und der ExFreundin alles Gute – es ist nicht zuletzt auch eine Botschaft an das Gericht, dass von ihm in Zukunft keine Gefahr mehr ausgehen werde.
Am 18. Juni, dem nächsten Verhandlungstag, soll der psychiatrische Gutachter die Psyche des Drazen D. enträtseln. Ein Befund liegt bereits vor, nachdem sein Gehirn per Kernspin (MRT) durchleuchtet worden ist. Ergebnis: Alles „normal“.