Der goldene Ring von der Baustelle
Baden-Württembergs Archäologen präsentieren ihre spektakulärsten Funde
Ein Talisman für ein kleines Kind war dieser goldene Ring in der Zeit der Römer, etwa 200 nach Christus. „Crescas“, zu Deutsch „Gedeihe wohl“lautet die Inschrift. Gefunden haben die Archäologen das Schmuckstück (Foto: Y. Mühleis/LAD) in Aalen. Sie entdeckten den Ring vergangenes Jahr auf einer Baustelle und konnten ihn vor der Zerstörung retten. Weitere spektakuläre Funde finden Sie auf
ESSLINGEN - So viele Rettungstaten wie noch nie haben Archäologen 2017 in Baden-Württemberg vollbracht: an über 200 Orten im Land sicherten sie wertvolle Fundstücke, bevor Bagger sie zerstören konnten. Hinzu kamen acht Forschungsprojekte, bei denen spektakuläre Zeugnisse vergangener Zeiten geborgen wurden. Zuständig für diese Ausgrabungen ist das Landesamt für Denkmalpflege, das unterstützt von zahlreichen ehrenamtlichen Helfern über archäologische Fundstätten wacht. Am Donnerstag präsentierte das Amt seine Jahresbilanz – mit Funden aus der Region. Eine Auswahl.
Bad Buchau
Am Ufer des Federsees wird ein Neubaugebiet erweitert. Die moorigen Böden gelten als Fundgrube für Archäologen und so untersuchten diese das Areal, bevor die Bagger anrückten. Die Forscher fanden über 2500 Einzelstücke aus rund 12 000 Jahren. Zum ersten Mal konnten die Wissenschaftler zeigen, dass schon im 6. Jahrtausend vor Christus Bauern das Federseebecken bewirtschafteten – Bandkeramikfunde aus dieser Zeit bezeugen dies. Noch älter sind zwei Einbäume aus der Jungsteinzeit (um 11 000 v. Chr.). Der jüngste Fund überraschte die Archäologen: zwei Paddel, die aus der Epoche rund um Christi Geburt stammen – aus dieser Periode gibt es in der Region bisher kaum Funde.
Reichenau
Neue Straßen erfreuen nicht nur gestresste Pendler, sondern auch Archäologen. Sie sondieren vorab das Gelände, um zu verhindern, dass wertvolle Fundstücke beim Bau zerstört werden. Dabei können sie mit Unterstützung des Landes größere Flächen sondieren als etwa bei kleineren Bauten. Ein Beispiel: Der Ausbau der B 33 am Bodensee. Am Wollmatinger Ried (Kreis Konstanz) fanden die Wissenschaftler Reste einer Siedlung aus dem 5. Jahrtausend v. Chr. Sie entstand etwa 700 bis 900 Jahre vor den berühmten Pfahlbauten. Unter anderem stieß man auf Gräber und Skelette – die erste Fundstelle dieser Art und Datierung direkt am See. Weil der Spiegel des Bodensees damals höher war, lag die Siedlung nur 50 Meter vom Ufer entfernt – heute sind es 450 Meter.
Herbertingen
Seit 2014 graben Archäologen bei Herbertingen (Kreis Biberach) mit Unterstützung des Bundes in der Umgebung der Keltensiedlung Heuneburg aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. Die „Alte Burg“liegt neun Kilometer nordwestlich davon auf einem Bergsporn, ihre Wallanlagen waren bis zu 4,50 hoch. Wozu sie dienten, ist unklar. Die Forscher haben aber eine These: Es könnte sich um ein Hippodrom, eine Pferderennbahn ähnlich der Zirkusse der Antike, handeln. Dafür spricht, dass die Kelten das Plateau mit großen Aufwand planieren, um eine zungenförmige, ebene Fläche zu schaffen Es gibt Belege dafür, dass Pferde und Wagen über eine Straße hinauffuhren. Sollten sich Beweise für die Theorie finden, wäre das spektakulär: es wäre das erste Hippodrom nördlich der Alpen.
Aalen
Aalens Geschichte als wichtiger Stützpunkt der Römer an der Grenzanlage Limes ist bekannt. Das historische Erbe zwingt die Stadt zu Vorsicht bei allen Bauprojekten. 2017 mussten Archäologen zu einer Rettungsgrabung in der Innenstadt ausrücken. Dort entstehen neue Wohnungen – auf einer Siedlung aus der Zeit um 200 n. Chr. Überreste mehrerer Häuser legten die Forscher frei. In einem der Brunnen fanden sie einen goldenen Ring mit der Gravur „Crescas“, lateinisch für „du mögest gedeihen“. Der kleine Goldring passt
nur auf den Finger eines kleinen Kindes, dem das Schmuckstück wohl als Talisman Gesundheit bringen sollte.
Epfendorf-Harthausen
In einer Baugrube in EpfendorfHarthausen (Kreis Rottweil) lag ein Skelett. Die Polizei wurde gerufen – handelte es sich um einen Tatort? Doch die Knochen stammten aus dem frühen Mittelalter, der Zeit der Merowinger (5. bis 8. Jahrhundert n. Chr.). Mehr als 20 Gräber machten die Wissenschaftler um die Baustelle aus. Einige der Toten waren offenbar wohlhabend: Unter anderem fanden die Archäologen eine Frauenleiche mit Ohrringen, Perlenkette (Perlen siehe Foto), bronzener Schuhgarnitur und silberner Gürtelschnalle.