Heuberger Bote

Zahl der auffällige­n Kinder steigt

Evangelisc­he Kigas starten Beratungs-Programm – Familienze­ntren könnten Lösung sein

- Von Sabine Krauss

- Zum neuen Kindergart­enjahr erweitern die evangelisc­hen Kindergärt­en ihr Hilfs- und Beratungsa­ngebot. Da es in den Einrichtun­gen immer mehr auffällige Kinder gibt, soll es vor Ort feste Termine mit Institutio­nen wie psychologi­sche Beratungss­telle, Mutpol oder Diakonie geben, die Eltern wahrnehmen können.

Kinder, die verwahrlos­t in den Kindergart­en kommen, Kinder, die aggressiv sind und den Erzieherin­nen Sätze wie „von dir lass ich mir nichts sagen“an den Kopf werfen, sind in etlichen Einrichtun­gen längst keine Einzelfäll­e mehr. „Die Zahl der auffällige­n Kinder hat in den vergangene­n Jahren zugenommen“, berichten Tuttlingen­s drei Kindergart­enTräger unisono: Pfarrer Junginger, zuständig für die evangelisc­hen Kindergärt­en, Marianne Gajo von der katholisch­en Kirchenpfl­ege sowie die Stadt Tuttlingen als Träger der städtische­n Einrichtun­gen. Die Auffälligk­eiten seien oft abhängig davon, in welchem Stadtteil man sich befinde, sagen Junginger und Gajo.

Häufig sind es auch Eltern, die in den Einrichtun­gen auffallen: die etwa schon morgens nach Alkohol riechen oder solche, die selbst beim Bringen und Holen ihrer Kinder den Blick nicht vom Smartphone abwenden können.

„Nehmen Sie Ihr Kind doch nachmittag­s mal für eine Weile vom Fernseher weg“, soll eine Erzieherin eines Kindergart­ens vor kurzem einer Mutter geraten haben. „Das ist schwierig – jedes Mal, wenn ich den Fernseher ausmache, macht sie ihn wieder an“, gab diese zur Antwort. Die Episode, die Junginger erst vor kurzem von einer Erzieherin geschilder­t bekam, zeige beispielha­ft die Hilflosigk­eit mancher Eltern, so der Kindergart­en-Pfarrer. „Wichtig wäre es allein schon, den Leuten nahezulege­n, wie man mit Medien umgeht“, findet er.

Vorschläge stoßen auf Ablehnung

Für die Erzieherin­nen oftmals ein schwierige­s Terrain: Wen spricht man an und wie tut man es? Häufig stießen die gutgemeint­en Vorschläge auf Ablehnung, so die Erfahrung. „Die schwierigs­ten Fälle sind immer diejenigen, bei denen die Eltern nicht wollen“, sagt Gajo.

Hinzu kommt: Allein schon an der Kontaktauf­nahme zu einem Hilfsangeb­ot wie etwa psychologi­sche Beratungss­telle, Arzt oder Therapeut scheitern viele, weiß Junginger. Nur zu betonen, dass es wichtig sei, etwas zu tun, reiche nicht aus. „Die Hürden sind vielen zu hoch“, sagt er. Wichtig sei es, die Eltern konkret mit einem Hilfsangeb­ot in Berührung zu bringen.

Die Situation zu verbessern, wäre ein Projekt gewesen, das Junginger in Tuttlingen als nächstes angepackt hätte – würde er im August nicht berufsbedi­ngt umziehen. „Ich sehe hier großen Handlungsb­edarf“, sagt er. Optimal fände er die Einrichtun­g sogenannte­r Familienze­ntren, wie sie in anderen Bundesländ­ern häufig praktizier­t werden. Diese bieten neben ihrer Aufgabe als Kindertage­sstätte auch Leistungen wie Elternschu­lungen, Gesundheit­svorsorge, Hilfe und Beratung unter einem Dach an. „Da hinkt Baden-Württember­g total hinterher“, findet er.

Die Idee dieser sogenannte­n Familienze­ntren ist im Landkreis Tuttlingen zumindest nicht neu. Bereits vor etwa zwei bis drei Jahren habe man im Landratsam­t ein Grobkonzep­t aufgestell­t, wie Sozialdeze­rnent Bernd Mager auf Anfrage mitteilt. Dass dieses dann vorerst in der Schublade verschwand, war der Tatsache geschuldet, dass man andere Prioriäten gesetzt habe. So etwa der Ausbau der „Frühen Hilfen“, ein Förderprog­ramm für ganz kleine Kinder sowie der Aufbau des Beratungsz­entrums „Bärenstark“.

Man wolle das Thema der Familienze­ntren jedoch im kommenden Frühjahr im Jugendhilf­eausschuss erneut diskutiere­n, sagt Mager. „Ich finde, dass wir im Landkreis ein gutes und passgenaue­s Netz haben“, beurteilt er die Hilfsangeb­ote im Kinderund Jugendbere­ich.

Anders sieht dies Pfarrer Junginger: Er stuft das hiesige Angebot als „unzusammen­hängend“und „disparat“ein. Allein schon, dass es keine Übersicht gäbe, wohin man sich wenden kann, missfällt ihm.

Kleine Lösung ab Herbst

Für die vier evangelisc­hen Kindergärt­en wird es ab Herbst zumindest eine kleine Lösung geben: In einem ersten Schritt soll es in Zusammenar­beit mit der psychologi­schen Beratungss­telle, Mutpol und Diakonie regelmäßig­e Workshops für die Eltern geben. Auch gehe es darum, Erzieherin­nen „mit diesen kompetente­n Leuten in Berührung zu bringen“, wie der Kindergart­en-Pfarrer sagt.

Wie wichtig es ist, präventiv und frühzeitig anzusetzen, denkt Junginger jedes Mal, wenn er auf den neunjährig­en Jungen triftt, der im Religionsu­nterricht aufsteht, um mit einem imaginären Maschineng­ewehr seine Schulkamer­aden niederzust­recken.

Peter Wilhelm

(Foto: Wilhelmsch­ule) in den Ruhestand verabschie­det worden. 37 von 40 Lehrerjahr­en unterricht­ete der Pädagoge an der Wilhelmsch­ule. Seine Fächer waren Mathematik, Chemie und Technik, die er bis zur Verabschie­dung hauptsächl­ich in den Klassen 9 und 10 unterricht­ete. Rektor Hans-Peter Gökelmann bescheinig­te ihm, dass er bei allen innovative­n, für die Schule weichenste­llenden Projekten ein verlässlic­her und mitgestalt­ender Kollege war. Als Koordinato­r sorgte er jahrelang für einen fließenden Ablauf der Abschlussp­rüfungen. Lange Jahre war er für die Berufsorie­ntierung der Schule zuständig, hielt die Kontakte zu Firmen und stellte Projekte wie „Azubi meets Schüler“oder die Praxiswerk­statt mit Partnern aus der Industrie auf die Beine. Gökelmann hob besonders Wilhelms natürliche Autorität und sein förderndes, aber auch forderndes Handeln als Lehrer hervor. Mit Gedichten und Liedern verabschie­dete sich das Kollegium der Wilhelmsch­ule bei diesem überaus beliebten Lehrer. (pm)

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FOTO: DPA Immer mehr auffällige Kinder registrier­en die Kindergärt­en.
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