Elektroroller lehren Porschefahrer kurzzeitig das Fürchten
Der Trinity Romex zieht die Blicke in der Stadt auf sich – Gelungene Kombination aus E-Mobilität und Retrodesign
Nicht zu überhören: Wenn Sohn oder Tochter mit ihren Motorrollern Richtung Stadt davondüsten, hat es die ganze Nachbarschaft mitbekommen, denn lautes Geknatter und eine stinkende Qualmwolke nach dem Kaltstart am frühen Morgen begleiteten sie. Wie wunderbar ist es doch dagegen, sich ganz still aus dem Staub machen zu können – auf einem Roller mit elektrischem Antrieb.
Wer allerdings einen Trinity Romex E-Roller in Mintgrün fährt, ist nicht ganz so unauffällig unterwegs. Allein die ungewöhnliche Farbe, aber auch das Retrodesign im VespaStil mit verchromten Gepäckträgern hinten und vorne ziehen die Blicke auf sich.
Das finale Aha-Erlebnis stellt sich dann ein, wenn dieses hübsche Gefährt völlig lautlos vorbeischwebt. Oder an der Ampel bei Grün ohne großes Getöse erst einmal jeden Sportwagen stehenlässt, weil das volle Drehmoment des 3000-WattRadnabenmotors sofort verfügbar ist und nicht erst ab einem bestimmten Drehzahlbereich wie bei einem Verbrenner. Kein Wunder also, dass die rund 15 niederländischen Harleyfahrer, die gerade im Straßencafé Pause machen, fast vom Stuhl fallen, als ich mit breitem Grinsen auf dem Romex vorbeizische.
Bei 45 km/h ist dann allerdings bereits das Ende der nach oben beschränkten Geschwindigkeitsskala erreicht. Spätestens jetzt würde die Stunde der Harley- und Porschefahrer schlagen. Doch diese Höchstgeschwindigkeit genügt völlig, um im städtischen Straßenverkehr gut mithalten zu können. Auch die Reichweite von etwa 50 Kilometern, die das Modell ab 2699 Euro bietet (die zweite Variante mit einer Reichweite bis 80 Kilometer kostet ab 3199 Euro), ist ausreichend, wenn man nur im innerstädtischen Bereich unterwegs ist oder mit dem Romex täglich die paar Kilometer Weg zur Arbeitsstätte zurücklegen will.
Höhere Reichweiten
Wer größere Strecken absolvieren muss, greift dann besser zu einem anderen Modell. „Momentan sind fünf bis sechs renommierte Rolleranbieter auf dem deutschen Markt“, weiß Markus Nöser-Baldi, der in Lindau E-Roller und E-Motorräder vertreibt. Die meisten hätten in ihrem Portfolio auch Modelle mit deutlich höheren Reichweiten und Höchstgeschwindigkeiten bis zu 100 km/h. „Damit ist auch die Fahrt über Land gar kein Problem mehr“, so NöserBaldi.
Der Händler glaubt fest an die Zukunft der E-Mobilität im Zweiradbereich. Seit 2013 – so lange schon betreibt er sein Geschäft in Lindau – sei die Kundenzahl stetig gestiegen. Nöser-Baldi zählt die Vorteile für den Verbraucher auf: „Der etwas höhere Anschaffungspreis im Vergleich zu Verbrennerrollern ist schnell wettgemacht. Ein E-Roller braucht auf 100 Kilometer weniger als einen Euro Energiekosten. Ein Verbrennerroller liegt bei rund fünf Euro. Außerdem fallen beim E-Roller kaum Wartungskosten an. Es gibt keinen Ölwechsel, keine Probleme mit Zündkerzen oder Einspritzern. Auch der Kundendienst ist deutlich günstiger als bei herkömmlichen Fahrzeugen.“Allerdings müsse man nach einigen Jahren womöglich einen neuen Akku kaufen oder zumindest die Lithiumbatterien austauschen.
Erfolgversprechend ist für ihn vor allem die Kombination aus E-Mobilität und Retrodesign, so wie es nicht nur Trinity mit dem Vespa-Verschnitt vormacht. Das italienische Original hat den Trend zur Elektromobilität hingegen zunächst verschlafen. Nachdem die Kult-Rollerschmiede Piaggio mit der Vespa Elettrica ihren ersten Elektroroller für 2017 angekündigt hatte, wurde Ende vergangenen Jahres die Markteinführung verschoben.
Dabei lässt sich die weltweite Lust am wendigen und leisen E-Roller an konkreten Zahlen festmachen. Über 20 Millionen E-Scooter werden jährlich in China verkauft. Europa hinkt deutlich hinterher, doch wuchs hier der Markt für E-Roller im ersten Quartal dieses Jahres um 51 Prozent. Die Branche erwartet, dass europaweit in diesem Jahr rund 50 000 Elektroroller abgesetzt werden. Deutschland liegt dabei an dritter Stelle, hinter den Niederlanden und Frankreich. Rund 6000 Elektroroller surren derzeit über deutsche Straßen.
Auch Reinhold Höpperle, der elektrogetriebene Zweiräder – vom Cityroller bis zum kleinen Motorrad – in Baienfurt anbietet, hat festgestellt: „Der Markt hat sich in den vergangenen Jahren extrem entwickelt.“Steht der mintfarbene Romex vor seiner Ladentür, sind ihm interessierte Kunden sicher. Und die sind dann sehr erstaunt, wenn sie erfahren, dass sich solche Roller an jeder üblichen Haushaltssteckdose innerhalb von acht Stunden – mit Schnellladegerät sogar in knapp vier Stunden – aufladen lassen. Wer mag, kann den tragbaren Akku auch rasch ausbauen und zum Beispiel über Nacht in der Wohnung wieder aufladen.
Die 55-jährige Rebekka Gutzeit aus Baindt fährt seit drei Jahren einen Trinity Romex in Mint. Wenn sie darüber spricht, ist ihr die Begeisterung anzumerken: „Das Fahrgefühl ist herrlich. Man schwebt so dahin.“Außerdem ernte sie jede Menge Sympathie für ihren leisen Roller. Allerdings fahre sie sehr bewusst und vorsichtig, weil sie wisse, dass man sie nicht hört.
Vorsicht ist geboten
Dass die Geräuschlosigkeit nicht nur positive Effekte hat, wird gleich bei der ersten Probefahrt deutlich: In Seelenruhe überquert eine Katze die Straße – direkt vor dem Roller. Sie sieht in dem lautlosen Gefährt keine Gefahr. Das lässt sich natürlich auch auf am Straßenrand spielende Kinder und in Gedanken versunkene Fußgänger übertragen. Vorsicht ist also geboten. Deshalb würde der Trinity auch gut bessere Bremsen vertragen.
Noch ein paar Abstriche mehr muss machen, wer sich für diesen Elektroroller entscheidet. Seine hydraulischen Stoßdämpfer federn sehr hart ab, was überstehende Gullideckel oder andere Unebenheiten auf der Straße zum natürlichen Feind des Rollerfahrers beziehungsweise dessen Bandscheiben macht. Und weil der Hersteller bei dem gerade mal 105 Kilogramm (inklusive Akku) schweren Roller wohl möglichst viel Gewicht einsparen wollte, ist aus dem durchaus nett anzusehenden Gefährt ein Plastikbomber geworden, bei dem es dann doch an der einen oder anderen Stelle immer mal wieder ein wenig klappert. Den Spaß am elektrischen Rollerfahren mindert das aber nur geringfügig.
Der Elektroroller Trinity Romex wurde der Autorin zwei Wochen lang vom Händler Reinhold Höpperle in Baienfurt kostenlos zur Verfügung gestellt.