Wortreiche Isolation
Der Mensch ist ein kommunikatives Wesen. Er ist nicht dafür geschaffen, sein Dasein in einer Waldhütte zu fristen und seine Lautäußerungen auf die Imitation von Vogelgezwitscher oder das Heulen eines Wolfes zu beschränken.
Natürlich gibt es Situationen, Lebensumstände oder Charakterzüge, die ausgedehnten Small Talk über diese unerträgliche Hitze, die Schlafprobleme des Gatten oder den jüngsten Besuch von Tante Erna unmöglich machen. In einer langjährigen Ehe zum Beispiel versteht man sich auch ohne Worte blind und kriegt ein zweistündiges Abendessen beim Italiener ohne überflüssiges Geplapper über die Bühne. Auch der schwäbische Bruddler, bekanntlich kein Freund großer Worte, versteht sich vorzüglich aufs Schweigen.
Vielen älteren Herrschaften geht einfach das technische Know-how ab, das es heutzutage braucht, um ein Gespräch in Schwung zu bringen. Immer öfter nämlich begegnen wir jungen Menschen, die mutterseelenalleine die Straße entlanggehen und sich prächtig unterhalten. Dass es sich bei dem irritierenden Wortschwall nicht um ein Selbstgespräch handelt, sondern um ein freihändiges Telefonat mittels dieser kleinen Ohrstöpsel, die jetzt so in Mode sind, erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Auch die Nachbarin hat uns schon ins Bockshorn gejagt, als sie laut redend herbeiradelte. Wir wollten schon den Feierabenddrink absetzen und zurückgrüßen, da sahen wir die Stöpsel. Das Gute an der neuen Zeit: Man fällt nicht mehr so auf, wenn man mit sich selbst spricht. Alte, lieb gewonnene Gewohnheit aus Junggesellentagen.