Türken zertrümmern ihre iPhones
Präsident Recep Tayyip Erdogan verkündet hohe Strafzölle auf US-Importe – Katar will 15 Milliarden Dollar investieren
- Der Streit mit den USA hat in der Türkei so etwas wie einen Wettbewerb um die zornigste Reaktion und die strammste Haltung gegen die angebliche amerikanische Aggression ausgelöst. Chancen auf einen der vorderen Plätze haben Anhänger von Präsident Recep Tayyip Erdogan, die nach dem Aufruf des Staatsoberhaupts zum Boykott amerikanischer iPhones ihre Handys mit einem Hammer zerschlugen und Videos der Aktion ins Internet stellten. Erdogans Regierung selbst verkündete am Mittwoch astronomisch hohe Strafzölle auf US-Importe – die viel gescholtenen iPhones wurden jedoch geschont.
Eine Entspannung im Streit zwischen der Türkei und den USA ist nicht in Sicht: Ein Gericht in Izmir lehnte am Mittwoch abermals einen Antrag auf Freilassung des US-Pastors Andrew Brunson aus dem Hausarrest ab.
Auf den ersten Blick wirken die Strafzölle – darunter ein Aufschlag von 120 Prozent auf amerikanische Personenwagen und 140 Prozent auf amerikanischen Whiskey – mit ihrem Volumen von mehr als 500 Millionen Dollar wie eine radikale Maßnahme. Doch der türkischen Regierung geht es offenbar vor allem um eine Schauveranstaltung fürs heimische Publikum, die Entschlossenheit suggerieren soll, ohne wirtschaftlichen Schaden für das eigene Land anzurichten. So gibt es keine hohen Zölle auf amerikanische Flugzeuge, die mit einem Wert von drei Milliarden Dollar rund ein Drittel der amerikanischen Exporte in die Türkei ausmachen. Auch Computer und Handys von Apple, Dell oder anderen US-Firmen werden weiter importiert wie bisher: iPhones sind auch in der Türkei so beliebt, dass die Regierung die Bürger nicht mit hohen Zöllen verärgern will.
Still und leise hat die Erdogan-Regierung zur Stützung der schwindsüchtigen Lira mit Maßnahmen begonnen, die offiziell vom Präsidenten abgelehnt werden. Die Zentralbank griff am Mittwoch ein, um die Liquidität am Geldmarkt zu drosseln. Die Knappheit wirkte wie eine Leitzinserhöhung und stärkte den Kurs der Landeswährung, der nach langer Talfahrt gegenüber Dollar und Euro zulegte.
Telefonat mit Merkel
Da sich aber nach wie vor keine grundsätzliche Lösung der Krise abzeichnet, sucht Ankara verstärkt die Nähe zu Europa und zu arabischen Partnern. Am Mittwoch telefonierte Erdogan mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und vereinbarte mit ihr nach türkischen Regierungsangaben ein Treffen der Finanz- und Wirtschaftsminister beider Länder. Merkel habe das deutsche Interesse an einer wirtschaftlich starken Türkei bekräftigt.
Für diesen Donnerstag plant Erdogan ein Gespräch mit dem französischen Staatschef Emmanuel Macron. Zudem ließen türkische Gerichte am Dienstag zwei griechische Soldaten frei, die seit Monaten in der Türkei festgehalten wurden, und ordneten am Mittwoch die Freilassung des prominenten Menschenrechtlers Taner Kilic an: weitere Signale, mit denen Ankara die Bereitschaft zur Wiederannäherung an die EU unterstrich.
Unterstützung erhielt die Türkei aus Katar. Der Golfstaat wolle 15 Milliarden Dollar in die Türkei investieren, teilte der Sprecher von Erdogan, Ibrahim Kalin, nach einem Treffen Erdogans mit dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, mit. Die Beziehungen zwischen der Türkei und Katar basierten auf wahrer Freundschaft und Solidarität, schrieb Kalin. Im Juni 2017 hatte die Türkei das Golfemirat unterstützt, nachdem Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain eine Blockade über Katar verhängt hatten.