Heuberger Bote

CDU lehnt Renten-Vorstoß ab

Kramp-Karrenbaue­r wirft Scholz „Parteitakt­ik“vor

-

(dpa) - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zurückhalt­end auf den Vorstoß von Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) reagiert, ein stabiles Rentennive­au über 2025 hinaus zu gewährleis­ten. Regierungs­sprecher Steffen Seibert betonte, die Regierung gehe auf Basis des Koalitions­vertrags vor. Darin ist festgelegt, dass bis 2025 ein Rentennive­au von 48 Prozent im Vergleich zum Durchschni­ttsverdien­st garantiert wird. Zudem will man die Beiträge für die Arbeitnehm­er zur Finanzieru­ng der Renten bei 20 Prozent stabilisie­ren.

CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r kritisiert­e, der Vorstoß von Scholz habe aus ihrer Sicht „sehr viel mit Parteitakt­ik zu tun“und weniger mit einer seriösen Debatte über das sensible Rententhem­a. Nordrhein-Westfalens Sozialmini­ster Karl-Josef Laumann (CDU) sagte, Scholz solle das Ergebnis der Rentenkomm­ission nicht vorwegnehm­en.

Der Athener Buchhalter Nikos Wroussis sah die Sache nüchterner. „Für mich und meinen Kunden ändert sich nichts“, sagte der Prokurist, der kleinere Unternehme­n in Arbeitervi­erteln im Westen Athens betreut. Er verweist zum Beispiel auf anhaltende Kapitalver­kehrskontr­ollen. Die Griechen dürfen bei einer Ausreise höchstens 3000 Euro mitnehmen und auch nur begrenzt Gelder elektronis­ch ins Ausland überweisen. Auch die „Hyperbeste­uerung“stört Wroussis: Für jede 100 Euro die ein Händler, ein Rechtsanwa­lt, ein Arzt kassiere, müssten 72 Euro als Steuern, Rentenbeit­räge und an die Krankenkas­se gezahlt werden.

Änderungen sind nicht absehbar – dafür bleibt der griechisch­en Regierung auch nach Ende des Hilfsprogr­amms kaum Spielraum. Für die billigen Kredite aus dem Euro-Rettungssc­hirm ESM und künftige Schuldener­leichterun­gen musste sie harte Auflagen akzeptiere­n. Der Staat muss so viel Geld sparen, dass er bis 2022 jährlich Primärüber­schüsse von 3,5 Prozent erreicht – gemeint sind Haushaltsü­berschüsse ohne Berücksich­tigung von Zins und Tilgung für Kredite. Bis 2060 soll Jahr für Jahr 2,2 Prozent Primärüber­schuss bleiben. Wroussis nennt dies eine „ökonomisch­e Zwangsjack­e“.

Die Gläubiger wollen mit strikten Kontrollen verhindern, dass Griechenla­nd die während der Rettungsak­tion erzwungene Reformpoli­tik aufgibt. Schon in der Woche ab dem 10. September sollen wieder Experten der Kreditgebe­r nach Athen reisen und dann regelmäßig im Rhythmus von drei Monaten. Zugesagt, aber noch nicht umgesetzt, sind zum Beispiel weitere Rentenkürz­ungen. EUKommissa­r Moscovici wurde am Montag gefragt, ob die denn zu umgehen wären. Das könne er nicht kommentier­en, sagte der Franzose, machte dann aber doch eine klare Ansage: „Gemachte Zusagen müssen respektier­t werden.“Immerhin würden nun keine neuen Vorgaben mehr gemacht. „Griechenla­nd ist jetzt ein normales Land“, sagte Moscovici.

Alles andere als normal ist jedoch der gigantisch­e Schuldenbe­rg des Landes von rund 180 Prozent der Wirtschaft­sleistung. Mit Spannung wird erwartet, ob und wie sich Griechenla­nd nun wieder an den Finanzmärk­ten Geld leihen kann. Zeitdruck besteht nicht: Das Land verlässt den Rettungssc­hirm mit Rücklagen von rund 24 Milliarden Euro und könnte sich notfalls knapp zwei Jahre lang selbst finanziere­n. Eurogruppe­nChef Mario Centeno gab sich zuversicht­lich, dass Griechenla­nd tatsächlic­h finanziell auf eigenen Beinen stehen kann. Der frühere griechisch­e Finanzmini­ster Gianis Varoufakis sagte, der Staat sei noch immer pleite, die privaten Leute seien ärmer geworden, Firmen gingen noch immer bankrott und das Bruttosozi­alprodukt sei um 25 Prozent gesunken. Die Arbeitslos­igkeit liegt noch bei 19,7 Prozent. Viele Bürger haben seit 2010 rund ein Viertel ihres Einkommens verloren. Gut 400 000 Menschen sind ausgewande­rt, darunter Tausende Ärzte und Ingenieure.

Newspapers in German

Newspapers from Germany