Wenn der Mann zum Amt kommt ...
Kanzler – was sonst? Gesundheitsminister Jens Spahn weiß, wo er hinwill
BERLIN - Er ist gefühlt in jeder Talkshow präsent, er polarisiert, und so gibt es fast nur Leute, die ihn entweder ganz toll oder eher grässlich finden. Der CDU-Politiker Jens Spahn ist einer der bekanntesten Politiker Deutschlands. 38 Jahre ist er alt, und schon ist seine erste Biographie auf dem Markt.
„Jeder hat eine Meinung zu Jens Spahn“, sagt Michael Bröcker, Chefredakteur der „Rheinischen Post“, der das Buch über Jens Spahn verfasst hat. In einer Partei, deren Positionen von Merkel glattgeschliffen wurden, in einer Langzeit-Koalition mit der SPD, die Kompromisse in der Mitte verlangt, fällt ein CDU-Politiker wie Jens Spahn auf. Bankkaufmann, katholisch, Münsterland, konservativ, steile Karriere. Nun sitzt Spahn im Haus der Familienunternehmer in Berlin und tut verwundert: „Es ist schon komisch“, sagt er, mit 38 eine Biografie.
Aber so verwunderlich auch nicht. „Bundeskanzler – was sonst?“stand unter dem Foto des EinserAbiturienten in der Abschlusszeitung. Jens Spahn bestreitet auch heute nicht, dass dies sein Ziel sein könnte. Rückgrat hat er. Kämpfen kann er.
Mehr Blüm als Merz
Allerdings sind schon die ersten enttäuscht. FDP-Fraktionschef Christian Lindner meint, Jens Spahn sei als Gesundheitsminister mehr auf der Linie von Norbert Blüm als von Friedrich Merz. Und auch LinkenFraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch stellt als Laudator der Biographie fest: „Mir fällt auf, dass er seine bisherige Linie zumindest modifiziert hat.“Das kann natürlich Teil der Karriereplanung sein.
Der Spruch Erwin Teufels „Das Amt muss zum Manne kommen, nicht der Mann zum Amt“, ist nicht seine Devise. „Er ist zum Amt gekommen“, sagt Dietmar Bartsch, Spahn sei zwar das „geborene Feindbild“für einen Linken, aber es lohne sich, ihm zuzuhören. Und immerhin, er attestiert seinem ehemaligen Kollegen aus dem Haushaltsausschuss, Jens Spahn, dass er nicht für das Konzept Gnadenlosigkeit stehe, sondern immer auch die helfende Hand reichen wolle.
Schlagzeilen aber machte Jens Spahn schon am Anfang seiner politischen Karriere, als er als 27-jähriger Bundestagsabgeordneter sagte, dass das Wahlgeschenk an die Rentner (damals wurden die Renten außer der Reihe erhöht) die junge Generation mittel- und langfristig viel Geld kosten werde. „Rotzlöffel“gehörte noch zu den charmanteren Beschimpfungen, und selbst die Junge Union distanzierte sich. Ihr liege viel am Miteinander mit der SeniorenUnion. „Hartz IV bedeutet nicht Armut, sondern ist die Antwort auf Armut“, damit reizte er jetzt als frisch gebackener Gesundheitsminister SPD und Linke.
Schon 2012 wird Spahn vom Journalisten Guido Bohsem geoutet. Spahn hat inzwischen seinen Lebensgefährten Daniel Funke geheiratet, er verschweigt seine Homosexualität nicht, sucht aber auch nicht die Öffentlichkeit. Auf die Frage, was die Homosexualität mit einem Menschen mache, sagt er: „Man ist sensibler für die Umgebung. Ich bekomme viel mehr an Gefühlsregungen mit, als mir alle zutrauen.“Und was ist das Katholische an Jens Spahn? Spahn selbst sagt, der Glaube präge einen stark und es gebe Gelassenheit, zu wissen, dass das Paradies jemand anders macht.
Mini-Seehofer
In der Flüchtlingskrise hat sich Jens Spahn wiederholt gegen Merkel gestellt. Als eine Art „Mini-Seehofer“bezeichnete ihn eine Zeitung. Beim CDU-Parteitag 2016 in Essen kämpft er gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Man könne von einem jungen Menschen die Entscheidungen verlangen, wo er leben wolle. Spahn redet eine Minute und 44 Sekunden – der Parteitag kippt. „Am Regierungshandeln wird sich nichts ändern“, sagt eine verärgerte Angela Merkel.
Bei der Regierungsbildung wird lange gerätselt, ob Angela Merkel ihn trotzdem als Minister berufen wird. sie kommt an Spahn als Zeichen der Erneuerung nicht vorbei. Manche sagen auch, sie habe ihn zum Minister machen müssen, um zu verhindern, dass er in der Fraktion gegen Volker Kauder antritt. Spahn positioniert sich immer wieder klar, jüngst für die allgemeine Dienstpflicht. Er ist ein unbequemer Politiker – und für Edmund Stoiber sind unbequeme Politiker, die in ihrer Meinung verlässlich sind, das beste Rezept gegen Politikverdrossenheit.
Für Autor Michael Bröcker ist klar, dass die Nachfolge Merkels zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn ausgetragen wird. Kramp-Karrenbauer ist in der Partei beliebter. Das weiß Jens Spahn. Aber es wäre nicht Jens Spahn, wenn er die Schlacht für entschieden hielte.