Junge Künstlerinnen geben neue Impulse
Namika, Deva Mahal und Alma haben beim New Pop Festival überzeugende Auftritte abgeliefert
BADEN-BADEN - Natürlich zählt am Ende vor allem die Musik, aber gerade beim Pop spielen stets auch die Äußerlichkeiten und die Inszenierung des Auftritts eine entscheidende Rolle. Beim diesjährigen New Pop Festival in Baden-Baden ließen sich dabei äußerst unterschiedliche Herangehensweisen beobachten. So setzten die männlichen Musiker vom deutschen Songschreiber und Sänger Nico Santos über den auf die Bühne zurückgekehrten Eagle Eye Cherry bis zum diesjährigen „Pioneer of Pop“-Preisträger Rea Garvey auf klassisches Schwarz samt Lederjacke und ergänzten dieses höchstens mal wie The Night Game-Frontmann Martin Johnson mit einem gut abgehangenen Rocker-Stirnband. Auf Persönlichkeit und Musikstil lässt dies eher bedingte Rückschlüsse zu – ganz anders als bei den diesjährigen Künstlerinnen.
Da gab es beispielsweise LEA, die in Kassel Musik- und Sonderpädagogik studiert hat und mit Jeans, weißem T-Shirt und buntem aufgeknöpftem Hemd, das nach spontanem Flohmarkt-Kauf aussah, recht unscheinbar und verhuscht lächelnd auf die Bühne im Kurhaus kam. Zu ihren Songs passte dieser Auftritt aber bestens, denn selbst angesichts der ungebrochenen neuen Innerlichkeitswelle im deutschen Popgeschäft kreist ihre Musik auffallend stark um sie selbst. Da wird im gleichnamigen Song reflektiert, wieviel „Leiser“sie im Laufe einer Beziehung geworden sei und auch die Frage „Wohin willst Du?“um den Zusatz „… wenn du nicht mehr bei mir sein kannst“ergänzt. Dem jungen weiblichen Publikum gefiel die Begegnung, auch wenn sie musikalisch noch nicht allzu aufregend ausfällt.
Eine Entwicklung ist natürlich immer möglich, wie sich im Falle von Namika zeigte, die vor drei Jahren schon mal bei dem Festival spielte, damals allerdings noch auf der kostenlos zugänglichen Außenbühne. Damals hätte nicht jeder darauf gewettet, dass ihr Hit „Lieblingsmensch“keine Eintagsfliege bleibt. Beim diesjährigen Konzert im Festspielhaus harmonierte ihr schlichtschwarzes Kleid aber mit der Souveränität eines Auftritts, der klarmachte, dass hier jemand seinen Status als Popstar offen angenommen hat, dabei aber immer noch unverstellt sympathisch wirkte.
Erkennbar groß waren die Sympathien des Publikums auch für Alma, obwohl ihr Auftritt einen denkbar großen Kontrast darstellte. 2017 musste die Finnin ihr Konzert aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig absagen und auch dieses Jahr wirkte es, als habe es die 22-Jährige nur in allerletzter Minute auf die Bühne geschafft – trug sie doch erdverschmierte schwere Schuhe wie nach einem ausgedehnten Waldspaziergang, schwarze Schlabberklamotten und etwas, das wie Rucksackträger ohne Rucksack aussah. Diese rotzige Attitüde spiegelte sich auch in der Musik von Alma wider, die zwar im Kern Elektropop macht, das aber mit einer mitreißenden punkigen Attitüde in Songs wie „Dye My Hair“.
Wiederum wie aus einer anderen Welt schienen dagegen die Gastspiele von zwei Töchtern prominenter Musikerfamilien. So ist Mabel zwar ebenfalls 22, betrat das Baden-Badener Theater aber mit einem Selbstbewusstsein und einem durchchoreographierten Auftritt wie eine altgediente R-’n’-B-Sängerin. Dazu hatte sie sich in einen Glitzer-Ganzkörperanzug gezwängt und mit neonfarbenen Fingernägeln bewaffnet. Flankiert von zwei Tänzerinnen präsentierte sie kraftvolle Hits wie „Finders Keepers“. Das erste vollständige Album steht noch aus, dürfte aber beste Erfolgschancen haben – wobei die Familienbande sicher nicht schaden: Mabels Mutter ist die Hip-Hop-Pionierin Neneh Cherry, zur Verwandtschaft zählen zudem Onkel Eagle Eye Cherry und Tante Titiyo („Come Along“). Und Halbbruder Marlon Roudette war bereits vor vier Jahren beim New Pop Festival zu Gast.
Briefe an das jüngere Selbst
Auch Deva Mahal hat einen prominenten Stammbaum – ihr Vater ist der legendäre amerikanische Bluesmusiker Taj Mahal. Ihr Name wird wie „Diva“ausgesprochen und entsprechend funkelnd betrat sie die Bühne, was nicht nur an ihrem ebenfalls silbernen Glitzerkleid lag. Für die vollkommen eigenständigen musikalischen Gehversuche hat sie sich etwas mehr Zeit als die anderen Künstlerinnen des diesjährigen New-Pop-.Jahrgangs gelassen, dafür konnte man hier eine bereits vollständig geformte Künstlerin erleben, die auf ihrem Debütalbum „Run Deep“nach eigener Aussage Briefe an ihr jüngeres Selbst schreibt. In den besten Momenten erinnerte ihr Konzert an eine selbstbewusstere Amy Winehouse – die vor 14 Jahren ja ebenfalls beim New Pop erste Karriereschritte machte. Bleibt zu hoffen, dass im Gegensatz zur tragischen Geschichte von Winehouse bei den diesjährigen Künstlerinnen die Äußerlichkeiten nicht irgendwann die vielversprechende Musik überlagern.