Harter Stahl mit weicher Kontur
Stahlskulpturen von Jürgen Knubben in der Kunsthalle Ravensburg
- Seit 1973 ist der Rottweiler Stahlbildhauer Jürgen Knubben künstlerisch tätig, ein umfangreicher Werkkatalog erschien 2017. Nun zeigt eine Retrospektive in der Kunsthalle Ravensburg Werke aus den Jahren 1999 bis 2018 und bietet den Stahlskulpturen von bis zu 3,60 Metern Höhe einen adäquaten und grandiosen Auftritt.
Der erste Blick vom Eingang her – Jürgen Knubben hat den Aufbau ganz allein bestimmt – fällt auf neun hohe „Säulen“aus massivem Stahl, die hier zum ersten Mal ausgestellt werden. Da stockt schon etwas der Blick, denn fast drängt sich hier der Eindruck anderer Formen und anderer Materialien auf: Aus der Entfernung wirken die „Säulen“wie hohe Ständer auf runden flachen Basen, und sie erscheinen wie gedreht. Durch das Ab- und Zunehmen des Volumens wird zunächst die Anmutung von auf der Töpferscheibe gedrehtem Ton oder von gedrechseltem Holz erweckt. Durch die hell glänzenden Schleifspuren des mit dem Laser geschnittenen massiven Stahls und die Kerben entsteht hingegen aus der Nähe ein anderer haptischer Effekt: Der Kontrast zwischen dunkel schimmerndem Stahl und hellen Schleiflichtern fördert den Eindruck einer keramischen Glasur. Es sind aber alles runde, extra geformte Stahlelemente mit einer mittleren Bohrung, auf eine zwei Zentimeter dicke Stahlspindel aufgefädelt, nicht wie die Industrieelemente der aus Gussrohrteilen gefertigten, an Geäste erinnernden „Lineaturen“(2015), die ähnlich wie die stereometrischen Körper der „Fünf Pyramiden“(2007) und die großen und kleinen „Linsen“(2003) in sanftem Rostton leuchten. Hier erscheint die Härte des Materials Stahl von „der sanften Kraft der Oxidation unterlaufen“, wie der Laudator Thomas Knubben bei der Vernissage formulierte. Tatsächlich hat der Rostbelag die Wirkung eines Weichzeichners der Konturen, und die vereinheitlichte Farbe lässt den Volumina eine größere Freiheit, um sich im Raum auszudehnen.
Im Nebenraum der großen Halle haben kleinformatige Treppenskulpturen (2017 und 2018) ihren Platz. Meist quadratische Reliefs, die dennoch im Betrachter eine Art Impuls des virtuellen Auf- oder Absteigens auslösen. Knubbens Treppenmotive haben immer etwas von Himmelsleitern oder sie erinnern an Piranesis „Carceri“, den mehrstöckigen Irrgängen ohne Ausweg, Albträumen näher als Visionen. Auch die von Jürgen Knubben beharrlich „Säulen“genannten, tonnenschweren Stelen mit rundem, rechteckigen oder dreieckigem Querschnitt (2012-2016), in denen er den Begriff vom Tragen und Lasten immer wieder durch mittige Abschnürung oder pyramidenförmige oder turmartige Stufung („Hommage à Brancusi“) konterkariert, lassen Assoziationen an fantastische Architekturen oder an künstliche Welten aufkommen, in denen Naturgesetze elegant und präzis außer Kraft gesetzt werden.
Radikale Abstraktion
Um eine radikale Abstraktion geht es bei den hier zum ersten Mal ausgestellten Interpretationen der Nofretete-Büste, von Knubben „Tête à tête“genannt. Sogleich an der hohen Krone und ihrer Haltung zu identifizieren, wird sie trotz der Reduktion des Gesichts zu einem flachen Dreieck, das jeder auf den ersten Blick erkennt.