Baltische Klangkultur vom Feinsten
- Ein Orchester mit großem Seelenton, eine souveräne Solistin, ein sympathischer Dirigent: Im GZH sorgten die Geigerin Baiba Skride, der Dirigent Andris Poga und das Lettische Nationale Sinfonieorchester für intensive Musikerlebnisse mit Werken von Peteris Vasks, Sergej Prokofjew und Peter Tschaikowsky.
In großer Besetzung ist das in Riga beheimatete Orchester auf Tournee, die Damen in eleganten schwarzen Kleidern, die Herren im Frack, und jede und jeder musiziert mit Herzblut. Mit seiner klaren Körpersprache und Zeichengebung führt der 38-jährige Musikdirektor Andris Poga die Tradition herausragender baltischer Dirigenten fort. Das Studium in seiner Heimat und in Wien, bei Meisterkursen und die Förderung etwa durch den estnischen Kollegen Paavo Järvi haben ihn geprägt. Als Chef des Nationalen Sinfonieorchesters setzt er sich für Pe teris Vasks ein, den Lands mann, dessen Nähe zur Spiritualität durchaus mit Arvo Pärt vergleichbar ist. Auch wenn „Musica appassionata“aus dem Jahr 2002 das Leben feiert, so scheint das Stück doch aus tiefem Schmerz emporzuwachsen.
Spinnwebfeiner Ton
Baiba Skride gehört zu jener Gruppe exquisiter Geigerinnen, die sich im Musikleben ihren Platz erobert haben. Auch sie stammt aus Riga, bildet mit ihrer Schwester Lauma ein hervorragend eingespieltes Kammermusikduo und widmet sich einem breiten Repertoire. In Friedrichshafen interpretierte sie nun das erste Violinkonzert von Sergej Prokofjew, komponiert im Revolutionsjahr 1917 und nicht so häufig gespielt. Zu erleben war ein spinnwebfeiner Geigenton. Dirigent, Solistin und Orchester wirkten in großer Energie zusammen. Die in sich ruhende Geigerin verabschiedete sich mit dem Stück „Imitazione della Campana“(Imitation einer Glocke) des sächsischen Violinvirtuosen Johann Paul von Westhoff.
Nach der Pause war zu hören, wie tief vertraut die baltischen Musiker mit der Musik Tschaikowskys sind: seine schmerzlich melancholische sechste Symphonie, die „Pathétique“, interpretierten sie mit großer Wärme und Tiefgang. Die Pathétique mag ein viel gespielter Schlager sein, hier aber hatte sie nichts Abgespieltes.