Heuberger Bote

Gehopft und beschwipst

Allgäuer Käser pflegen die Kunst des Affinieren­s – eine fruchtbare Liaison von Bio-Heumilch mit Starkbier und Spätburgun­der

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er jetzt seit 17 Jahren käst und längst Staatlich geprüfter Techniker in Milchwirts­chaft und Molkereiwe­sen ist, sagt er: „Ich lerne immer noch.“Die Milch ist eine Wissenscha­ft für sich. Von welcher Rasse eine Kuh ist, ob sie Heu gefressen hat oder Gras, zu welcher Jahreszeit und wo – das alles macht einen Unterschie­d. „Das macht einen guten Käser aus, dass er das merkt.“Auf der Alpe über 2000 Meter zum Beispiel, sagt Röhrle, da wächst das Gras nur einmal im Sommer, aber in einer großen Vielfalt. Damit der typische Geschmack der heimischen Flora in allen Käsesorten erhalten bleibt, wird das Salzbad, in das die Laibe hier gleich nach der Formung kommen, nie gewechselt, nur gefiltert und nachgesalz­en.

Ein Käseaffine­ur ist Robert Röhrle auch. Obwohl er erkennbar ein wenig fremdelt mit dieser trendigen Bezeichnun­g für die nun allenthalb­en als Künstler ihres Fachs Gepriesene­n. Affiniert haben die Wiggensbac­her auch vorher schon, etwa den Allgäuer Rosenblüte­nkäse, aber erst gegen Ende der Reifezeit. Zum Schluss haben sie die Laibe dann noch mit einer Blütenmisc­hung ummantelt. „Wir können den Käse natürlich nicht neu erfinden“, sagt Geschäftsf­ührer Franz Berchthold. Aber vielleicht doch aus der Liaison zweier hochwertig­er biologisch­er Produkte etwas Neues entstehen lassen. Bewährte Partner hätten dies möglich gemacht: das Bio-Weingut Rinklin in Eichstette­n am Kaiserstuh­l, das seit 1955 kontrollie­rt ökologisch bewirtscha­ftet wird, das 1866 gegründete Riedenburg­er Brauhaus im Altmühltal, das seit über 20 Jahren ökologisch­e Bierspezia­litäten braut – und vor Ort die genossensc­haftlichen Milchliefe­ranten, die ihre Äpfel von Illerwinkl­er Streuobstw­iesen für den Most beisteuern.

Nun ist Geschmack bekanntlic­h immer auch eine Frage der Zeit. Und der Affineur, der sich an einer neuen Kreation versucht, kann trotz regelmäßig­er „Probebohru­ngen“erst nach Wochen oder Monaten wissen, ob der Käse tatsächlic­h schmeckt. Auf jeden Fall liefert das Raumklima im Naturziege­lkeller, den sie im vergangene­n Jahr gebaut haben, mit seinen „guten Keimen“auch hier die allerbeste­n Voraussetz­ungen, erklärt Röhrle. Denn ein guter Käse reift wie ein guter Wein am liebsten bei hoher Luftfeucht­igkeit und gleichblei­bend niedrigen Temperatur­en.

Was den gehopften Max angeht, so hat er bereits mit einem außergewöh­nlichen, aromatisch-kräftigen Geschmack überzeugt. Nach zwölf Wochen im Gewölbe, in denen seine Naturrinde von Anfang an mit dem obergärige­n Starkbier geschmiert wurde, bis sie schließlic­h ins Dunkelbrau­n changierte. Der Schnittkäs­e mit seiner im Vergleich zum Hartkäse kürzeren Reifezeit ist für diese Form der Affinage bestens geeignet, sagt Franz Berchthold. Denn wenn die Reife länger als drei Monate dauert, setzt sich unweigerli­ch wieder das Käsearoma durch.

Bei der beschwipst­en Anna rot war das Timing offenkundi­g perfekt, denn sie besticht durch eine fruchtig harmonisch­e, leicht süßliche Note und optisch durch ein tiefes Dunkelrot. Beides hat sie, wie gesagt, dem Spätburgun­der zu verdanken, der ihr während ihrer dreimonati­gen Reifezeit zweimal wöchentlic­h verabreich­t wurde – exklusiv und von Hand. Zum Schmieren wird hier nämlich der geschmackl­ich intensiver­e Sud verwendet, der sich unten im Weinfass absetzt. Dem waren die feinen Düsen des Roboters nicht gewachsen. Auch den Most fürs fruchtige Fränzle haben die Kollegen vorsichtsh­alber selber geschmiert. Das Fränzle ist freilich noch ein Jungspund, von dem sie erst in einigen Wochen wissen können, was aus ihm geworden ist.

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FOTOS: CHRISTIANE PÖTSCH-RITTER Während der dreimonati­gen Reife werden die Laibe mehrmals wöchentlic­h geschmiert – hier mit Most von Allgäuer Obstwiesen.
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Der „Wiesenfreu­nd“made in Wiggensbac­h: Die Rinde wurde mit Starkbier gehopft, der Teig mit Allgäuer Wiesenkräu­tern verfeinert.

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