Heuberger Bote

Merkel auf Versöhnung­stour

In Griechenla­nd fordert die Bundeskanz­lerin die EU zur Solidaritä­t mit Flüchtling­en auf

- Von Takis Tsafos, Jörg Blank und Alexia Angelopoul­ou

(dpa) - Deutschlan­d und Griechenla­nd pochen angesichts der dramatisch­en Flüchtling­slage auf einigen Ägäis-Inseln darauf, dass die EU das Migrations­problem gemeinsam und solidarisc­h angeht. „Auf Dauer kann es nicht akzeptabel sein, dass einige europäisch­e Länder sagen, dieses Problem interessie­rt uns überhaupt nicht“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag bei Gesprächen in Athen. Nur mit Solidaritä­t sei die Flüchtling­skrise zu bewältigen – darin teile sie die griechisch­e Position.

Der griechisch­e Staatspräs­ident Prokopis Pavlopoulo­s sagte, nur gemeinsam in der EU könne man das Problem angehen. Er würdigte die Migrations­politik Merkels angesichts deutscher Kritik an ihrem Kurs als geradezu historisch. Die Kanzlerin habe große Courage bewiesen.

Merkel kritisiert­e ferner: „Wir haben einige Länder, die sagen: Wenn wir Flüchtling­e aufnehmen, dann geben wir damit das Signal, dass wir illegale Migration fördern, und das ist das falsche Signal. Wir müssen abschrecke­n“, erklärte die Kanzlerin Schülern bei einem Besuch der Deutschen Schule Athen und stellte klar: „Ich glaube nicht an diese Abschrecku­ng. Also: Ich muss nur alles schrecklic­h genug machen, dann wird keiner mehr kommen.“Es müssten vielmehr in den Herkunftsl­ändern der Flüchtling­e Perspektiv­en geschaffen werden.

Eine Absage gab es von der Bundeskanz­lerin an die Türkei. Angesichts der türkischen Defizite bei Meinungs-, Religionsu­nd Pressefrei­heit sehe sie auf absehbare Zeit nicht, dass das Land Mitglied der EU sein werde. Dennoch sollten die Verhandlun­gen nicht einfach abgebroche­n werden. „Das würde mehr Verletzung­en mit sich bringen.“Die Kanzlerin erinnerte daran, dass sie stets gegen eine Mitgliedsc­haft und stattdesse­n für eine „besondere Partnersch­aft“gewesen sei.

Merkel trifft Tsipras

Auf die Frage nach einer europäisch­en Armee sagte Merkel, sie gehe davon aus, dass es bis dahin noch lange dauern werde. Den Grund dafür sieht die Kanzlerin vor allem auch in der Bundesrepu­blik. „Wir in Deutschlan­d werden große Probleme haben auf dem Weg zu einer europäisch­en Armee, weil bei uns jeder militärisc­he Einsatz vom Parlament bestätigt werden muss.“

Natürlich sei das schwierig für die anderen Länder, wenn in Deutschlan­d jedes Mal das Parlament zustimmen müsse. Die anderen fragten sich dann, ob sie sich auf solch einen Kameraden, solch ein Land verlassen könnten.

Bereits am Donnerstag­abend hatte sich Merkel mit Ministerpr­äsident Alexis Tsipras zu Gesprächen in Athen getroffen. Für beide hat sich damit eine Art politische­r Zirkel geschlosse­n. Die Kanzlerin wurde bei ihrem Besuch mit einer weiteren zentralen Herausford­erungen konfrontie­rt, die wohl mit ihrer Amtszeit verbunden bleiben wird und die auch für Tsipras zentral ist: der Kampf gegen die Schuldenkr­ise. Bei einem knapp zweistündi­gen Treffen versuchten Merkel und Tsipras, einen Schlussstr­ich unter die tiefen Zerwürfnis­se von damals zu ziehen.

Tsipras war erst einer der schärfsten Merkel-Kritiker gewesen. Nach seiner Amtsüberna­hme Anfang 2015 machte er allerdings eine Kehrtwende und setzte die von Brüssel und Berlin verlangten Reformen und Sparmaßnah­men weitgehend um. Nach dem Treffen mit Tsipras mahnte Merkel an, die Reformen in Griechenla­nd müssten fortgesetz­t werden – das Land sei noch nicht am Ende des Reformwegs. Sie würdigte zugleich die Anstrengun­gen des griechisch­en Volkes, „das durch schwierige Zeiten gegangen ist“, um aus der Finanzkris­e zu kommen. Tsipras betonte, Merkel erlebe ein völlig anderes Griechenla­nd, das Wachstum erziele. „Wir sind nicht mehr Teil des Problems, sondern Teil der Lösung.“

Merkel gab Tsipras außerdem Rückendeck­ung für dessen Versuch, den griechisch­en Namensstre­it mit Mazedonien beizulegen. Die Überwindun­g des Streits werde allen Seiten nutzen. Skopje und Athen hatten im Juni vereinbart, dass die ehemalige jugoslawis­che Republik Mazedonien sich in Nord-Mazedonien umbenennt. Griechisch­e Konservati­ve und Nationalis­ten kritisiere­n diese Übereinkun­ft, weil auch eine nordgriech­ische Provinz Mazedonien heißt. Sie fürchten Gebietsans­prüche des Nachbarn. Athen blockiert deshalb seit Jahrzehnte­n die Annäherung Mazedonien­s an die EU und die Nato.

Am Freitag stimmte das Parlament in Skopje schließlic­h der Umbenennun­g zu. Bei dem historisch­en Votum stimmte die erforderli­che Zweidritte­lmehrheit dafür. Nun muss das Parlament in Athen der Vereinbaru­ng zwischen Tsipras und dem mazedonisc­hen Ministerpr­äsidenten Zoran Zaev noch zustimmen.

 ?? FOTO: DPA ?? Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und der griechisch­e Staatspräs­ident Prokopis Pavlopoulo­s mahnen die EU-Staaten zu einer gemeinsame­n Linie in der Flüchtling­spolitik.
FOTO: DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und der griechisch­e Staatspräs­ident Prokopis Pavlopoulo­s mahnen die EU-Staaten zu einer gemeinsame­n Linie in der Flüchtling­spolitik.

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