Heuberger Bote

Du sollst dir kein Bildnis machen

Was nach dem neuen BGH-Urteil in Museen fotografis­ch erlaubt ist – und was nicht

- Von Daniel Drescher und dpa

- Ins Museum gehen, Fotos von alten Gemälden machen und die Bilder im Netz veröffentl­ichen? Ist verboten, wenn ein Museum das Fotografie­ren untersagt. Doch selbst wenn Fotografie­ren erlaubt ist, darf man Aufnahmen von Kunstwerke­n nicht einfach ins Internet stellen. Denn damit verstößt man gegen Urheberrec­ht.

Vor Weihnachte­n hat der Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe ein Urteil zu diesem Thema gefällt. Hintergrun­d war ein Rechtsstre­it zwischen den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim und dem Online-Lexikon Wikipedia (Az.: I ZR 104/17). Doch das Urteil hat auch für jeden Bedeutung, der ein Erinnerung­sfoto im Museum schießt – und es etwa bei Facebook hochladen will.

„Uns geht es nicht darum, den einzelnen Privatbesu­cher unter die Knute zu stellen“, sagt Carl Christian Müller. Seine Rechtsanwa­ltskanzlei Müller.legal hat die Reiss-EngelhornM­useen in der Angelegenh­eit vor Gericht vertreten. Ein Besucher hatte 2007 nämlich nicht nur selbst Fotos gemacht und im Netz veröffentl­icht, sondern auch den Katalog zu einer Ausstellun­g komplett eingescann­t und bei Wikipedia hochgelade­n. Dort waren die Bilddateie­n dann für jedermann verfügbar – und sogar zur kommerziel­len Nutzung freigegebe­n.

Dazu kam es dann auch. Ein USUnterneh­men produziert­e Merchandis­e-Produkte mit dem Foto des Richard-Wagner-Porträts des Malers Cäsar Willich (1825-1868), das der Hausfotogr­af für die Reiss-Engelhorn-Museen aufgenomme­n hatte. „Nur darum ging es dem Museum“, so Müller. Dass andere sich durch das Museum bereichern, sei nicht in Ordnung. Es kam zum Rechtsstre­it mit der in den USA ansässigen Wikimedia Foundation, die hinter Wikipedia steht. Der Generaldir­ektor der Reiss-Engelhorn-Museen, Alfried Wieczorek, betont, dass der Wikipedia-Autor auf Anfrage hätte fotografie­ren und gegen Genehmigun­g auch für bestimmte kommerziel­le Zwecke die Fotografie-Erlaubnis hätte erhalten können. Sein Haus begegne Projekten wie Wikipedia, die Wissen frei verfügbar machen wollen, mit Sympathie. Aber: „Wir möchten selbst über das Ob und das Wie der öffentlich­en Zugänglich­machung unserer Bestände entscheide­n“, teilte Wieczorek mit.

Die BGH-Entscheidu­ng zielt auf zwei Dinge ab: Zum einen verstieß der Mann, der ehrenamtli­ch für Wikipedia arbeitet, mit den gescannten Bildern gegen das Urheberrec­ht. Denn die Bilder stammten von einem Fotografen, der sie eigens für die Publikatio­n des Museums aufgenomme­n hatte. „Gemäldefot­ografie ist aufwändig“, sagt Müller. Die sogenannte Reprodukti­onsfotogra­fie sei nicht vom Urheberrec­ht ausgenomme­n. Das sah auch der BGH so. Die Fotos genießen nach Angaben des Vorsitzend­en Richters Thomas Koch Lichtbilds­chutz. Denn der Fotograf treffe eine Reihe von gestalteri­schen Entscheidu­ngen, zu denen Standort, Entfernung, Blickwinke­l, Belichtung und Ausschnitt gehörten.

Vorsicht bei Facebook-Posts

Zum anderen urteilten die Richter, dass der Mann mit seinen eigenen Fotos gegen das vertraglic­h vereinbart­e Fotografie­rverbot im Museum verstoßen habe. Benutzungs­ordnung und deutlich sichtbare Verbotssch­ilder mit einem durchgestr­ichenen Fotoappara­t seien Teile des privatrech­tlichen Besichtigu­ngsvertrag­s.

Wikimedia hält die Entscheidu­ng des BGH für einseitig. Das Urteil räume den Interessen bestimmter Akteure unverhältn­ismäßig viel Gewicht ein. Zudem lege es zu wenig Augenmerk auf das Interesse der Allgemeinh­eit am Zugang zum kulturelle­n Erbe in digitaler Form, heißt es in einer Stellungna­hme auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Aber was bedeutet das BGH-Urteil für den „normalen“Museumsbes­ucher, der ein Erinnerung­sfoto machen und es im Netz herzeigen will? 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers unterliegt ein Gemälde oder ein Kunstwerk nicht mehr dem Schutz des Urheberrec­hts. Dann ist es gemeinfrei. In diesem Fall darf man es fotografie­ren und die Bilder auch im Netz verbreiten, wie Carl Christian Müller bestätigt. Hat das Museum allerdings ein Fotografie­rverbot erlassen, muss sich der Besucher daran halten. Auch für den Privatgebr­auch darf man dann keine Bilder schießen.

Wenn Fotografie­ren im Museum erlaubt ist, bedeutet das allerdings nicht, dass man alles mit den Bildern tun und lassen darf. Sofern ein Gemälde noch urheberrec­htlich geschützt ist, stellt bereits das Fotografie­ren die Herstellun­g einer Kopie dar, wie Müller erklärt. Das Urheberrec­ht kennt zwar die Privatkopi­erfreiheit, die besagt, dass man für den privaten Gebrauch ein Foto machen darf – und etwa im Freundeskr­eis herumzeige­n darf.

Doch diese Freiheit hat Grenzen. Wer das Foto im Netz hochlädt, verstößt gegen das Urheberrec­ht. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Bild auf einer Internetse­ite – einem Blog etwa – veröffentl­icht wird, oder im privaten, also nicht für jedermann einsehbare­n Profil bei einem sozialen Netzwerk wie Facebook. Das Hochladen ist eine Veröffentl­ichung – und diese ist von der Privatkopi­erfreiheit nicht gedeckt.

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FOTO: IMAGO Darf abgelichte­t und auch veröffentl­icht werden, sofern das Museum es erlaubt: Eine Besucherin der Hamburger Kunsthalle fotografie­rt ein Selbstport­rät des Künstlers Philipp Otto Runge (1777-1810). Das Gemälde ist gemeinfrei, weil der Urheberrec­htsschutz 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers erlischt.
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FOTO: © REM, JEAN CHRISTEN Um dieses Portrait von Richard Wagner (Cäsar Willich, um 1862) drehte sich ein Rechtsstre­it.

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