Mit der Unverfrorenheit der Jugend
Dokudrama „Die Unsichtbaren“über untergetauchte Juden in Berlin läuft in der ARD
m nichts in der Welt wollten sie auffallen, niemand sollte Notiz von ihnen nehmen: 7000 jüdische Bewohner Berlins sind nach 1941 in der Hauptstadt untergetaucht. Sie haben ihre Wohnungen, ihre Arbeitsplätze verlassen und sich damit der Deportation durch die Nationalsozialisten entzogen. „Die Unsichtbaren“ist die passende Bezeichnung für diese Menschen, die bis zum Kriegsende durch Berlin gestreift sind, auf der Suche nach einem Unterschlupf, angewiesen auf bekannte oder fremde Menschen, die sich mit ihrer Hilfsbereitschaft selbst in höchste Gefahr brachten. Vier dieser Schicksale hat Regisseur Claus Räfle in dem Dokudrama verwoben, ergänzt wird es durch Interviews mit vier Überlebenden, die äußerst reflektiert und manchmal sogar mit einem Augenzwinkern auf diese bittere Zeit zurückblicken. Am Mittwochabend wird der Kinofilm „Die Unsichtbaren“zum ersten Mal im Fernsehen gezeigt.
Das Schicksal der Anne Frank kennen Menschen auf der ganzen Welt. Aber dass viele Juden in Deutschland und den besetzten Ländern heimatlos durch Städte zogen, immer auf der Suche nach einem Unterschlupf, ist ein eher wenig beachtetes Kapitel deutscher Geschichte.
„Wir haben mal wieder unsere Bleibe verloren. Es war unentwegt kalt, hat geschneit. Ich bin dann immer die Straßen entlanggelaufen, bis zum Morgen, bis ich wieder irgendwo hineingehen konnte. Ich kann es heute noch fühlen: Leerer Magen, keine Aussicht auf eine warme Mahlzeit, nicht mal eine Tasse Kaffee – und nicht wissen, wo man bleibt.“Die das erzählt ist Ruth Arndt, Tochter eines jüdischen Berliner Arztes, die 20 Jahre alt war, als ihre ganze Familie im Winter 1942/43 untertauchen musste. Während ihre Familie sich im Zusammenhalt den Rücken stärken konnte, waren die meisten Untergetauchten auf sich gestellt.
Junge Überlebenskünstler
So wie Hanni Lévy. Ihre Eltern waren bereits gestorben, nur eine Freundin ihrer Mutter half ihr zunächst noch. Die 17-jährige Hanni färbte sich die Haare blond, flanierte jeden Tag auf dem Kurfürstendamm und suchte abends Zuflucht in dunklen Kinosälen, die ihr Schutz und Trost gleichzeitig boten. Eine Kartenverkäuferin dort nahm das heimatlose Mädchen schließlich bis zum Kriegsende bei sich in der Wohnung auf.
Die beiden Ebenen des Films, Spielszenen mit unverbrauchten Jungschauspielern wie Alice Dwyer und Max Mauff auf der einen Seite, und Interviews mit den Überlebenden auf der anderen, lassen eine ungewöhnliche Atmosphäre entstehen. Ungewöhnlich deshalb, weil trotz der Schwere des Themas der ungebrochene Lebenswille der jungen Menschen an jeder Stelle durchscheint. Die Untergetauchten machen aus der Not eine Tugend, improvisieren jeden Tag aufs Neue, besitzen wie im Fall von Ruth Arndt gar die Unverfrorenheit, im Haushalt eines NS-Offiziers als Bedienung anzuheuern.
Besonders in Erinnerung bleiben wird den Zuschauern sicher Cioma Schönhaus. Bereits Stunden nach der Deportation seiner Eltern hat er deren Hausrat gewinnbringend versetzt, schlägt sich als Passfälscher durch Berlin, entwickelt sich zum Hallodri, genießt seinen bescheidenen Wohlstand auf Pump. Mit einem Augenzwinkern berichtet der alte Herr im Film von seinen extravaganten Ausflügen ebenso wie von der Perfektionierung seiner Fälschungen, mit denen er Dutzenden von Juden das Leben gerettet hat. Die Unverfrorenheit der Jugend hat ihn durch diese Zeit getragen.
Es war an der Zeit, den Untergetauchten in diesem Dokudrama ein Forum zu bieten. Denn von denen, die dort zu Wort kommen, lebt heute nur noch die inzwischen 94-jährige Hanni Lévy.
Mittwoch, ARD,
mareTV: Holland in der Karibik
Die Länderporträts von mareTV sind meist ein Garant für solide Informationen über ferne Regionen der Welt. In der Regel wird kitschfrei von der Natur, aber auch den Menschen und der Gesellschaft erzählt. Diesmal geht es um die ABC-Inseln in der Karibik.
Donnerstag, NDR, 20.15 Uhr