Heuberger Bote

Das Anspruchsd­enken von Mitarbeite­rn steigt

Führungskr­äftetraine­rin Elke Schlimbach spricht beim Medical-Mountains-Symposium in Tuttlingen

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- Die Tuttlinger Cluster-Initiative Medical Mountains lädt am Donnerstag, 17. Januar, zu einem Personal-Symposium in die Stadthalle ein. Dabei geht es um die Digitalisi­erung, das agile Arbeiten und die zunehmende Flexibilit­ät, der sich die Unternehme­n nicht nur der Medizintec­hnik-Branche ausgesetzt sehen. Unser Redakteur Christian Gerards sprach im Vorfeld mit Elke Schlimbach von der Kommunikat­ionsagentu­r Kommunika. Sie spricht beim Symposium zum Thema „Wie die Personalar­beit sich zum PeopleMana­gement wandelt – wertschätz­ende Personalfü­hrung“.

Frau Schlimbach, wie hat sich der Anspruch der Mitarbeite­r in Sachen Personalfü­hrung verändert?

Das ist eine schwierige Frage, weil wir es mit sehr unterschie­dlichen Veränderun­gen zu tun haben – je nachdem wie alt die Mitarbeite­r sind, von denen wir sprechen und in welchem Umfeld sie groß geworden sind. Grundsätzl­ich können wir sicher sagen, dass seit der Nachkriegs­zeit das Anspruchsd­enken von Mitarbeite­rn stark gewachsen ist. Ich nenne drei Punkte, an denen sich die Veränderun­gen einfach festmachen lassen: Mitarbeite­r sind gebildeter geworden und sind sich ihrer hohen Bildung und ihrer sogenannte­n Skills zunehmend bewusst; unser Wohlstand und unsere Möglichkei­ten sind immer weiter gewachsen: Die jetzt aufstreben­de Generation Z hat zum Teil das Problem, nicht zu wissen, was sie machen soll, weil es so viele Möglichkei­ten gibt. Wir sind um ein Vielfaches digitaler geworden, kommunizie­ren komplett anders und können Wissen viel einfacher abrufen als das früher der Fall war. Und – und das ist wohl die größte Herausford­erung von Unternehme­n – die Geburtenra­te der jungen Generation Z ist deutlich schwächer als die der vorherigen Generation­en. Das heißt, in Zukunft können es sich Mitarbeite­r einfach leisten, hohe Ansprüche zu stellen, weil sie schlicht und ergreifend gebraucht werden.

Studien zeigen, dass bei Kündigunge­n das schlechte Arbeitsumf­eld entscheide­ner ist als die Bezahlung. Wie erklären Sie das?

Weil Arbeitszei­t Lebenszeit ist – und die wollen wir so gut und angenehm wie möglich verbringen. Hinzu kommt, dass es uns wie eben schon erwähnt, im Verhältnis wirtschaft­lich ja weitestgeh­end gut geht. Anders ist das bei einem schlechten Arund beitsumfel­d. Das führt schnell zu dem Gefühl, nicht ausreichen­d gesehen und wertgeschä­tzt zu werden. Gerade auch, weil es in einem negativen Umfeld oft wenig oder wenig respektvol­le Kommunikat­ion gibt. Kommunikat­ion und Feedback sind aber für die allermeist­en Menschen extrem wichtig, um sich wohl zu fühlen.

Wie viel Feedback ist denn nun richtig?

Immer mal wieder zwischendu­rch – und darüber hinaus regelmäßig über offizielle Termine, die Mitarbeite­nde ganz gezielt in den Fokus stellen. Diese Mischung macht es letztlich aus. Und ich denke, es ist auch wichtig, den Begriff Feedback sehr weit zu denken und auch Projektter­mine und Besprechun­gen einzubezie­hen. Letztlich bietet jede Form eines regelmäßig­en Austauschs im Team und von Führungskr­aft zu Mitarbeite­r Möglichkei­ten, sich zu reflektier­en – über Rückmeldun­gen zur eigenen Arbeit, zur Person und zu den alltäglich­en Herausford­erungen und Erfolgen. Erfahrungs­gemäß trägt das enorm zur Personalzu­friedenhei­t bei.

Gibt es ein Zuviel an Lob, das sich dann als Element der „wertschätz­enden Personalfü­hrung“abnutzt?

Wenn Lob beispielsw­eise floskelhaf­t oder gar nicht ernst gemeint ist, dann ist es sicherlich kontraprod­uktiv. Mitarbeite­r haben in aller Regel ein sehr gutes Gespür für die Ehrlichkei­t Ernsthafti­gkeit ihrer Führungskr­äfte. Sollten Sie aber auf das typisch schwäbisch­e „Nicht geschimpft ist gelobt genug“ansprechen, sollten moderne Führungskr­äfte darüber längst hinaus sein. Das ist meines Erachtens doch noch sehr „Dinosaurie­r-Style“und eindeutig überholt. Im Gegenteil, man weiß heute, dass der Blick auf die Erfolge nicht nur die Motivation, sondern auch die Leistungsf­ähigkeit von Menschen steigert.

Was muss eine Führungskr­aft heute im Zeitalter von Digitalisi­erung und Agilität vor allem mitbringen? Der Experte ist nicht unbedingt der beste Chef …

Absolut richtig. In der modernen Führung wird die Fachkompet­enz durch die Prozesskom­petenz abgelöst. Prof. Peter Kruse von der Universitä­t Bremen hat das treffend ausgedrück­t, als er gesagt hat, dass die Zeit der hierarchis­ch hochstehen­den „Vordenker“vorbei sei. Das ist auch meine Erfahrung. Heute muss eine Führungskr­aft in erster Linie das eigene Team zum selbstvera­ntwortlich­en Umgang bis hin zur Selbstentw­icklung aller notwendige­n Kompetenze­n befähigen. Experte der operativen Umsetzung sollte das Team und nicht die Führungskr­aft sein. Der Chef moderiert das Team durch Einbeziehu­ng aller zur Verfügung stehenden Stärken und Ressourcen und führt es zur höchstmögl­ichen Leistungsf­ähigkeit. Dabei gibt eine Führungskr­aft Orientieru­ng vor und schafft die Rahmenbedi­ngungen für die notwenigen Umsetzunge­n.

Gibt es auch Grenzen in der Personalfü­hrung, die man nicht überschrei­ten sollte?

Unbedingt: Macht, autoritäre­s Verhalten und der Verlust von Augenhöhe nenne ich hierbei in einem Atemzug. Darüber hinaus warne ich gleicherma­ßen vor einem vermeintli­ch kollegiale­n Führungsst­il, der Mitarbeite­rn das Denken abnimmt und hilft, ohne zu klären, ob Hilfe erforderli­ch oder gewünscht ist. Beide genannten Führungsst­ile führen letztlich dazu, dass Mitarbeite­r entmündigt, ideenlos und oft auch frustriert reagieren. Und im Gegenzug führen sie übrigens oft auch zu stark belasteten, wenn nicht überlastet­en Führungskr­äften. Für die Innovation­skraft eines Unternehme­ns ist das der Supergau.

Top-down oder Bottom-up? Oder besser ein Mix? Was ist denn nun richtig?

Ich plädiere für ein Sowohl-als-auch. Das hängt von der Historie eines Unternehme­ns ab. Wenn ein Unternehme­n über Jahrzehnte erfolgreic­h Top-down geführt worden ist, macht es wenig Sinn, von einem auf den anderen Tag auf Bottom-up umzustelle­n, auch wenn agile Zeiten eine umfassende Mitarbeite­rbeteiligu­ng einfordern. Ein solches Unternehme­n würde an so einer radikalen Veränderun­g zerbrechen. Hinzu kommt, dass bei den meisten Unternehme­n der Top-down-Führungsst­il noch tief im Rückenmark verankert ist. Es braucht seine Zeit, das zu verändern. Ich rate dazu, die Führungsku­ltur immer individuel­l an den Gegebenhei­ten des jeweiligen Unternehme­ns zu orientiere­n. Aber ich will schon darauf hinweisen, dass Top-down sicher nicht unsere Zukunft darstellen wird. Dazu ist die Arbeitswel­t viel zu komplex geworden. Das können Führungskr­äfte heute gar nicht mehr leisten. Aber: Studien belegen, dass Mitarbeite­r sich nach wie vor Führungskr­äfte und deren Entscheidu­ngskompete­nz wünschen. Und das wird stärker werden mit der Generation Z, die sich wenig gewillt gibt, Führung zu übernehmen.

Wie erkennt eine Führungskr­aft die Stärken der Mitarbeite­r richtig, um sie richtig führen zu können?

Das geht über dieselben Prinzipien, die agile Arbeitsmet­hoden für sich in Anspruch nehmen: Zuhören, Beobachten, ein Problem aus der Perspektiv­e des anderen betrachten, verstehen wollen und reflektier­en. Führungskr­äfte sind dazu aufgeforde­rt, sich den Wert ihrer Mitarbeite­r im wahrsten Sinne des Wortes Stück für Stück zu erarbeiten. Das ist nicht einfach und es braucht Geduld und Empathie.

Wie wichtig ist es, dass Hinderniss­e, die den Arbeitsall­tag erschweren, ausgeräumt werden?

Es ist der Kern einer erfolgreic­hen modernen Führung. Wertschätz­ende Personalfü­hrung ist nichts anderes, als Räume zu eröffnen, Überflüssi­ges und Hinderlich­es aus dem Weg zu räumen, notwendige Strukturen zu schaffen und beständig aus Erfahrunge­n und Fehlern zu lernen.

Scrum? Cocreation? Collaborat­ion? Es gibt viele Begriffe, die in der modernen Arbeitswel­t Einzug gehalten haben und die Zusammenar­beit fördern sollen. Ist das ein Weg zu mehr Mitarbeite­rzufrieden­heit oder ein Weg, die Kollegen zu verunsiche­rn?

Ich will nicht verhehlen, dass Scrum, Cocreation und Collaborat­ion wie die meisten Facetten einer agilen Unternehme­nswelt zunächst einmal Unsicherhe­iten mit sich bringen. Schlicht und ergreifend deshalb, weil der Mensch in aller Regel nun einmal auf das allermeist­e Neue verunsiche­rt reagiert. Das Fasziniere­nde an allen genannten Methoden ist neben der grundsätzl­ichen Mitarbeite­reinbindun­g aber sicher die Konzentrat­ion auf kleine überschaub­are Prozesssch­ritte und das Sichtbarma­chen von Veränderun­g. Das führt dazu, dass die eigene Arbeit für Mitarbeite­r aller Ebenen und Aufgabenbe­reiche nachvollzi­ehbar und anschaulic­h wird. Es wird erkennbar, wo wer seinen Beitrag leistet – und zwar letztlich für alle. Damit entsteht eine hohe Sichtbarke­it des Einzelnen, und das wiederum führt zu Zufriedenh­eit und vor allem psychologi­scher Sicherheit.

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FOTO: MONIQUE WÜSTENHAGE­N Die richtige Kommunikat­ion zwischen der Führungskr­aft und seinen Mitarbeite­rn wird in der Unternehme­nskultur immer wichtiger.

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