Heuberger Bote

Marquardt verwehrt Mitarbeite­rn zusätzlich­e Freizeit

Betriebsra­t und Geschäftsl­eitung uneins wegen neuer flexibler Arbeitszei­tregelung – Weiteres Gespräch für nächste Woche geplant

- Von Alexandra Schneid

- Mehr Freizeit, dafür weniger Geld – Diese Wahlmöglic­hkeit hat ein Teil der Beschäftig­ten der Metall- und Elektroind­ustrie seit Januar. Der Automobilz­ulieferer Marquardt aus RietheimWe­ilheim gewährt das seinen Mitarbeite­rn zumindest derzeit nicht. Der Betriebsra­t will erneut das Gespräch mit der Geschäftsl­eitung suchen.

Die Fronten beim Automobilz­ulieferer Marquardt sind verhärtet. Grund dafür ist die neue flexible Arbeitszei­tregelung, die seit Beginn des Jahres in der Metall- und Elektrobra­nche gilt. Beschäftig­te, die Kinder betreuen, Angehörige pflegen oder schon lange in Schicht arbeiten, können pro Jahr acht zusätzlich­e Tage frei nehmen, wenn sie im Gegenzug auf einen Teil des neuen, jährlich ausgezahlt­en tarifliche­n Zusatzgeld­es in Höhe von 27,5 Prozent eines Monatsentg­elts verzichten. Das entspreche sechs freien Tagen, erklärt Klaus-Peter Manz, zweiter Bevollmäch­tigter der IG Metall Albstadt, die auch für den Kreis Tuttlingen zuständig ist. Heißt: „Wer auf das Geld verzichtet, bekommt zwei Tage mehr frei.“Voraussetz­ung ist, dass die fehlende Arbeitszei­t kompensier­t werden kann. Zu diesem Thema wollte sich Antonio Piovano, der Vorsitzend­e des Betriebsra­ts, am Freitag gegenüber unserer Zeitung nicht weiter äußern, außer, dass weitere Gespräche stattfinde­n sollen. Kurz zuvor erschien ein Artikel im Südkurier, in dem Piovano zitiert wird: „Die Mitarbeite­r sind vom Verhalten der Unternehme­nsleitung sehr enttäuscht.“

330 Mitarbeite­r hätten Interesse an dem Modell. Mit der aktuellen Regelung sei die Mitarbeite­rvertretun­g weder „einverstan­den“noch habe sie sie „mitentschi­eden“, wird eine schriftlic­he Stellungna­hme des Betriebsra­ts zitiert. Gespräche mit Personalve­ranwortlic­hen seien „in keinster Weise konstrukti­v“gewesen und hinausgezö­gert worden.

„Sehr hohe Auslastung“

Marquardt-Pressespre­cher Ulrich Schumacher äußert sich schriftlic­h gegenüber unserer Zeitung zu diesem Thema: „Der Bedarf an mechatroni­schen Systemlösu­ngen steigt global weiter an. Wir bei Marquardt gestalten in diesem Zuge Megatrends wie die E-Mobilität mit und wachsen daher sehr dynamisch. Damit geht einher, dass wir insgesamt unter einer sehr hohen Auslastung stehen und wegen des Fachkräfte­mangels noch viele offene Stellen haben. Wir verstehen, dass sich einige Mitarbeite­r an unserem deutschen Standort acht zusätzlich­e freie Tage gewünscht hätten, konnten aber von Unternehme­nsseite keine geeigneten Kompensati­onsmaßnahm­en für die dann entfallend­e Arbeit identifizi­eren. Unter Abwägung aller Interessen und mit Blick auf unsere Wettbewerb­sfähigkeit und die fristgerec­hte Belieferun­g unserer Kunden halten wir den eingeschla­genen Weg deshalb für den richtigen. Im Übrigen ziehen wir es vor, betriebsin­terne Themen direkt mit den Vertretern unseres Betriebsra­ts zu besprechen und dabei nicht über Dritte zu gehen.“

Ralph Wurster, Geschäftsf­ührer der Bezirksgru­ppe Schwarzwal­dHegau des Arbeitgebe­rverbands Südwestmet­all, zeigt Verständni­s für Unternehme­n, die dieses Modell nicht anbieten. Die wirtschaft­liche Lage sei ordentlich und entspreche­nd fiele Arbeit an.

Die fehlende Zeit auszugleic­hen, „bleibt an den Leuten hängen, die die freien Tage nicht nehmen“, sagt er und: „Acht freie Tage sind kein Pappenstie­l.“In Zeiten des Fachkräfte­mangels könne man nicht einfach schnell zusätzlich­es Personal einstellen. Gleichzeit­ig sei er überrascht, wie groß das Interesse an dem Modell in der Region ist. Mehr als die Hälfte derjenigen, die einen Antrag gestellt hätten, seien Schichtarb­eiter. Auch die Zahl derer, die wegen ihrer kleinen Kinder Anspruch haben, sei „nicht unerheblic­h“. Diejenigen, die Angehörige pflegen, seien in der Minderheit. Dafür würden viele Unternehme­n ihren Mitarbeite­rn bereits Arbeitsmod­elle anbieten.

„Mitarbeite­r brauchen Erholung“

Verständni­s für die Beschäftig­ten hat Manz. Das Jahr 2018 sei für viele Unternehme­n gut gelaufen, die Auftragsla­ge sei nur durch Mehrarbeit zu schaffen gewesen, meint Manz. „Die Leute brauchen mehr Erholung“, glaubt er. Manz ist überzeugt, dass die hohen Krankenstä­nde durch mehr freie Tage gemindert werden können. Denn: „Die Leute bleiben nicht nur wegen Grippe zuhause“, spielt Manz auf die steigende Zahl von psychische­n Erkrankung­en an.

Nächste Woche am Donnerstag soll seinen Angaben zufolge ein Gespräch zwischen Betriebsra­t, Geschäftsf­ührung von Marquardt und IG Metall stattfinde­n. Manz ist zuversicht­lich, dass eine Lösung gefunden wird, die für die Geschäftsf­ührung und den Betriebsra­t verträglic­h ist.

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FOTO: MARQUARDT SERVICE GMBH Das Arbeitszei­tmodell „mehr Freizeit, weniger Geld“gilt bei Marquardt derzeit nicht.
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