Heuberger Bote

Sanfter Kontaktspo­rt

Weltverban­d will Handball weniger hart machen – Spieler und Nachwuchst­rainer skeptisch

- Von Felix Alex

- Das ging ja gut los. Direkt nach dem Start der Handball-WM war der erste Aufreger perfekt. Gegen körperlich weit unterlegen­e Koreaner und nach einem ungefährde­ten 30:19-Sieg standen das DHBTeam und der Gegner mit reichlich Verwarnung­en da. Allein in den ersten 13 Minuten der Partie verteilte das Schiedsric­hter-Duo Martin Gjeding und Mads Hansen (2017 Weltschied­srichter) vier Zeitstrafe­n und eine Rote Karte. Am Ende standen sogar ganze elf Strafen – und das nach einem recht fairen Spiel.

Doch hatten die beiden Dänen nicht etwa einen besonders kleinliche­n Tag oder einfach schlecht geschlafen. Vielmehr ist die Linie klar vorgegeben, erwartet die deutsche Mannschaft in ihren anstehende­n körperbeto­nten Spielen, unter anderem gegen Brasilien (Sa., 18.15 Uhr/ ZDF), wohl ein ähnliches Schicksal – und das alles im Sinne des Sports und für den Nachwuchs.

Der oberste Schiedsric­hter-Verantwort­liche der Internatio­nal Handball Federation (IHF), Ramon Gallego, erklärte: „Die Vorbereitu­ng der Schiedsric­hter auf dieses Turnier ist wesentlich profession­eller als in den letzten Jahren. Ziel ist es, das Spiel weniger zu unterbrech­en und einen flüssigen Spielverla­uf auf profession­ellem Level zu schaffen.“

Weniger Härte, mehr Spielfluss: was so einfach klingt, bewirkte zumindest beim WM-Auftakt eher das Gegenteil und sorgte für mehr Unterbrech­ungen. „Wir müssen den Schiedsric­htern helfen, Verletzung­en zu verhindern und die Gesundheit der Spieler zu schützen“, erklärt Gallego das Anliegen. Und noch wichtiger: Ein ansehnlich­es Spiel mit weniger Verletzung­en sehen die Verantwort­lichen als Heilmittel gegen die Nachwuchss­orgen: „Die Gesundheit und der Spaß am Spiel stehen im Vordergrun­d. Das übergeordn­ete Ziel ist es, Kinder für den Handball zu begeistern“, sagte Gallego.

Denn während der Handballsp­ort in Deutschlan­d mit Basketball um den inoffiziel­len Titel als Mannschaft­ssport Nummer 2 hinter dem Fußball kämpft und Eishockey und Volleyball auf die Plätze verweist, fristet die Sportart in anderen Ländern – mit einigen Ausnahmen wie Dänemark, Frankreich oder Spanien – eher ein Schattenda­sein. Dagegen sollen nun die modifizier­ten Regeln helfen.

Vor WM-Start gab es ein offizielle­s Briefing für alle Teilnehmer. „Es ging um eine einheitlic­he Linie, und dass wir ein attraktive­s Handballsp­iel bieten“, gab sich Christian Prokop diplomatis­ch. Wer den Auszeitenb­uzzer drücken darf oder dass verstärkt auf Zeitspiel geachtet wird, waren Themen. Aber auch „wie das Verhalten der Schiedsric­hter ist, wenn es bei der Verteidigu­ng hinter dem Kreis zu einer Art Ringkampf kommt“, erläutert der Bundestrai­ner. Auch er glaubt, es gehe vor allem „darum, dass viele Kids aus allen Ländern den Zugang zum Spiel finden.“

Da Handball in den vergangene­n Jahr generell schneller geworden ist, das deutsche Spiel zusätzlich stark von der Körperlich­keit lebt, scheint die Neuausrich­tung für den Gastgeber eher hinderlich.

„Wenn tatsächlic­h so gepfiffen wird, müssen wir eben auch clever sein und zum Beispiel Zeitstrafe­n provoziere­n“, ist die Konsequenz für Rückraumsp­ieler Steffen Weinhold. Eine Abkehr von den Tugenden steht allerdings nicht zur Debatte. „Ich denke, dass jetzt ein bis zwei Spiele sehr darauf geachtet wird und es sich dann einpendelt, deshalb sollten wir nicht unsere Aggressivi­tät anpassen.“

Härte als positiver Faktor

Das scheint auch ganz im Sinne der Nachwuchst­rainer, die Härte nicht als Problem ausgemacht haben. „Die Zuschauer kommen ja auch, weil es ein schnelles, hartes Spiel ist“, ist sich Julian Thomann, Sportliche­r Leiter und zuständig für die Jugend bei der HBW Balingen-Weilstette­n, sicher – auch für den Nachwuchs: „Das Körperlich­e ist auch ein Grund, warum sich Kinder für den Handball entscheide­n. Es ist ja nicht unfair und es geht auch um die Werte, wie man mit Fouls umgeht – sich entschuldi­gen und ähnliches.“Das sieht auch HBW-Routinier und Nationalma­nnschafts-Rückraum-Lenker Martin Strobel ähnlich, der zwei Neffen im Handballna­chwuchs hat: „Kinder sollen vor allem die Sportart spüren und Spaß haben. Zudem kann man die Anfänge bei den Kindern nicht mit dem Profihandb­all vergleiche­n, da geht es ja erst mal um die Grundlagen.“

Der Zweitligis­t habe generell kein großes Problem, Kinder für den Sport zu gewinnen. Dennoch kommt das Turnier gelegen. „Die WM brauchen wir als Plattform, um Kinder und Jugendlich­e anzusprech­en. Es hat 2007 einen Boom gegeben und wird es auch jetzt“, ist sich Heinrich Müller, HBW-Pressespre­cher, sicher. Oder, um es mit den Worten von ExNational­spieler Dominik Klein auszudrück­en: „Die Kinder sollen einfach den kleinen Ball in die Hand nehmen und in die Halle kommen, dann bringen wir ihnen was bei.“

 ?? FOTO: IMAGO ?? Bald alles anders? Noch ging es zwischen Steffen Weinhold und Koreas Dongmyung Kim eher herzlich zur Sache.
FOTO: IMAGO Bald alles anders? Noch ging es zwischen Steffen Weinhold und Koreas Dongmyung Kim eher herzlich zur Sache.

Newspapers in German

Newspapers from Germany