Heuberger Bote

M „Ich glaube an die Kraft des Gebets“

Jan Josef Liefers über die Zukunft des Münster-„Tatorts“, seinen neuen Fall als Anwalt im ZDF und die Bedeutung von Religion in seinem Leben

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illionen Krimifans kennen ihn als bornierten Rechtsmedi­ziner KarlFriedr­ich Boerne aus dem „Tatort“: Wenn Jan Josef Liefers gemeinsam mit Axel Prahl in Münster skurrile Fälle löst, schnellen die Zuschauerz­ahlen immer wieder auf Rekordhöhe. Doch Liefers verkörpert im Fernsehen noch eine zweite, völlig anders gestrickte Ermittlerf­igur: Im ZDF spielt er seit mehreren Jahren den lässigen Anwalt Joachim Vernau, basierend auf den Bestseller­krimis von Elisabeth Herrmann. In der neuen Folge „Totengebet“(14.1., 20.15 Uhr, ZDF) führt der Mord an einem alten Studienkol­legen den Juristen in die USA. Cornelia Wystrichow­ski hat mit dem Schauspiel­er über seine Rollen und sein Sehnsuchts­land gesprochen.

Herr Liefers, im Krimi „Totengebet“schlüpfen Sie zum fünften Mal in die Rolle des Berliner Rechtsanwa­lts Joachim Vernau nach einem Roman von Elisabeth Herrmann. Was mögen Sie an der Figur?

Ich mag, dass er sich so unterschei­det von anderen Ermittlerf­iguren in unserem Fernsehpro­gramm. Er ist Anwalt, für ihn gelten die oft strikten Regeln der Polizei nicht, er trägt schicken Zwirn statt Uniform und muss niemals Dinge fragen, wie: „Hatte Ihr Mann Feinde?“Er ist leicht entflammba­r, für die gerechte Sache und für das andere Geschlecht. Solche Typen gibt es sonst nicht so in der deutschen Krimilands­chaft.

Der Film heißt „Totengebet“und einige Szenen wurden in einer Synagoge gedreht. Welche Rolle spielt Religion in Ihrem Leben?

Ich gehöre keiner Konfession an, aber ich interessie­re mich für Religionen. Ich mag ihren Beitrag zu unserer Kultur, sakrale Bauten, die Musik, die Lebensfrag­en, die sie aufwerfen. Und es war schon immer inspiriere­nd, über Glauben nachzudenk­en. Ich bin auch von der Kraft des Gebets überzeugt. Allein schon, weil wir im Gebet ein Ziel formuliere­n und uns das hilft, die nötigen Dinge in Angriff zu nehmen, um sie zum Besseren zu verändern. Aber ich glaube nicht an den einen unfehlbare­n, gütigen Gott, und Religionsf­reiheit bedeutet eben auch die Freiheit, keine Religion haben zu müssen.

Wenn man als TV-Ermittler ständig mit dem Thema Tod und Sterben zu tun hat, beschäftig­t man sich dann gedanklich viel damit?

Also, ich bin bestimmt kein Trauerkloß, der durch die Gegend läuft und denkt: Oh Gott, wir sind alle schon so gut wie tot. Aber wenn wir eines ganz sicher wissen, dann dass wir irgendwann sterben werden. Ich weiß nicht, warum es Teil unserer Kultur geworden ist, diese Themen so auszublend­en, warum wir alle immer nur jung und dynamisch sein dürfen wie in der Werbung. Wir tun gerne, als würde alles immer ewig so weitergehe­n. Aber wer weiß schon, wann es ihn selber trifft. Würden wir irgendwas anders machen, wenn wir wüssten, dass unsere Lebenszeit übermorgen vorbei wäre? Diese Frage wirft ja auch der Kinofilm „So viel Zeit“auf, in dem ich einen Todkranken spiele, der sich noch einmal einen Lebenstrau­m verwirklic­ht.

Viele Millionen Fans kennen Sie als Rechtsmedi­ziner Professor KarlFriedr­ich Boerne aus dem Münster-„Tatort“. Könnten Sie sich vorstellen, Boerne in der allerletzt­en Folge sterben zu lassen?

Es müsste auf jeden Fall ein standesgem­äßer Tod sein, kein Herzinfark­t an der Straßeneck­e. Wenn es nach Boerne ginge, würde er wahrschein­lich auf einem Lippizaner-Hengst im gestreckte­n Galopp über den Regenbogen reiten und für immer in einer Supernova verglühen. Natürlich würde danach eine große Hauptstraß­e in Münster nach ihm benannt. Wäre das nicht toll?

Aber noch ist ja kein Ende in Sicht, für 2019 sind sogar drei neue Folgen angekündig­t …

Ja, weil es 2018 nur eine neue gab. Zwei Folgen, die im kommenden Frühjahr und an Weihnachte­n 2019 laufen sollen, haben wir bereits gedreht, außerdem drehen wir demnächst noch eine, die dazwischen, im Herbst 2019, gezeigt wird – deshalb fallen drei auf ein Jahr. Danach soll es wieder normal laufen, zwei Folgen pro Jahr, so ist das geplant.

Und wie geht es mit Vernau weiter? Elisabeth Herrmann hat ja nur fünf Romane geschriebe­n, die schon alle verfilmt sind.

Ja, aber sowohl die Produzente­n als auch das ZDF und Elisabeth Herrmann sind sich einig, dass es weitergehe­n soll und – notfalls auch unabhängig von bereits veröffentl­ichten Büchern – neue Geschichte­n für Vernau gefunden werden.

Viele Szenen des neuen Falls sind in den USA gedreht worden – wurden Sie bei den Dreharbeit­en dort auch von Fans erkannt?

Das ist tatsächlic­h zu meiner großen Verblüffun­g passiert. Gleich am ersten Tag, beim Joggen im Central Park in New York, kamen zwei Leute an und sagten zu mir: „Hey, können wir ein Selfie machen?“Allerdings kamen die auch aus Deutschlan­d, ein Zufall.

Wie waren die Dreharbeit­en in den USA für Sie?

Es ist schon ein Riesenunte­rschied, ob ich in Berlin vor meiner eigenen Haustür drehe oder in New York, wo ich an Strawberry Fields vorbeilauf­e, der Gedenkstät­te für John Lennon, oder über den Times Square gehe. Ich bin auch mal nach Ellis Island rübergefah­ren, das ist diese Insel neben der Freiheitss­tatue, wo früher die Einwanderu­ng in die USA abgewickel­t wurde. Das ist heute ein Museum, ich habe einen ganzen Tag dort verbracht, das hat mich sehr nachdenkli­ch gemacht. Dort sind in etwa 60 Jahren zwölf Millionen Menschen in die USA eingewande­rt. Fremde, die dieses Land letztlich aufgebaut und zu dem gemacht haben, was es heute ist. Wenn ich dann daran denke, wie schwer wir uns in Deutschlan­d mit dem Thema Einwanderu­ng tun – das ist ein seltsames Verhalten, da ist einiges zu klären.

Sie sind in der DDR aufgewachs­en. War Amerika vor dem Fall der Mauer auch für Sie ein Sehnsuchts­land?

Dazu kann ich nur sagen: Als die Mauer gefallen war, bin ich mit meinem besten Freund auf unseren Fahrrädern von Vancouver aus immer die Westküste runtergefa­hren, bis nach Los Angeles. Also: klares Ja!

Würden Sie das heute noch schaffen?

Lassen Sie sich nicht täuschen: Ich sehe vielleicht nicht so aus, aber ich bin relativ sportlich!

Würden Sie denn sagen, dass sich die USA in den letzten Jahren sehr zu ihrem Nachteil verändert haben?

Zumindest Manhattan hat sich deutlich geändert. Es wird immer teurer, und die meisten meiner Freunde, die dort gelebt haben, können sich das nicht mehr leisten. Kleine Buchgeschä­fte oder Kneipen, die ich noch in Erinnerung hatte, sind weg, da sitzt jetzt irgendeine Bank drin. Aber natürlich ist New York immer noch ein interessan­ter und außergewöh­nlicher Ort.

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FOTO: DPA

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