Länder wehren sich gegen Kürzung der Flüchtlingsmittel
Strobl und Lucha kritisieren Scholz-Pläne – Deutsche bei Zuwanderung gespalten
(epd/dpa/sz) Die geplanten Kürzungen von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) bei den Flüchtlingsmitteln stoßen auf heftigen Widerstand der Länder und Kommunen. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) nannte die Pläne „inakzeptabel“. „Das geht so gar nicht“, sagte Strobl, der auch CDU-Bundesvize ist, am Dienstag in Stuttgart. Die Vorschläge seien ein verheerendes Signal an Landkreise und Kommunen. „Man kann bei dieser Thematik die Kommunen keinesfalls alleine lassen – und derartige weitgehende Kürzungen und Umschichtungen vorzunehmen, halte ich definitiv für falsch.“Er hoffe sehr, dass man sich im Bund auf ein Besseres besinne. Das Thema soll auf der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag in Berlin diskutiert werden.
Die Zahl der Asylbewerber, die nach Deutschland kommen, war zuletzt zurückgegangen. Deshalb will der Bund weniger zu den Ausgaben für Unterkunft, Verpflegung und Integrationsmaßnahmen beitragen. Nach neuen Berechnungen würde der Bund seine Unterstützung von derzeit 4,7 Milliarden auf rund 1,3 Milliarden Euro pro Jahr senken.
Dagegen regt sich Widerstand. Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sowie der nordrheinwestfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), der den ScholzVorschlag „indiskutabel“nannte, wehrten sich. „Wer den Kommunen die Erstattung der flüchtlingsbedingten Kosten der Unterkunft streichen will, provoziert Steuererhöhungen in den Kommunen wegen der Flüchtlinge – und zündelt damit an dem Konflikt, den wir gerade mühsam befrieden konnten“, erklärte Laschet und forderte Scholz auf, den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Blick zu behalten. Auch Manne Lucha (Grüne), Baden-Württembergs Integrationsminister, bezeichnete die Pläne als „fatales Signal für die Integrationsbemühungen“. Diese hörten nicht auf, wenn Geflüchtete die Erstaufnahmeeinrichtungen verlassen. „Jetzt kann sich der Bund nicht einfach davonstehlen“, so Lucha.
Zum Streit passt das Ergebnis einer Umfrage im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung: Demnach halten mehr als zwei Drittel der Deutschen (68 Prozent) die Regierung in der Flüchtlingspolitik für nicht handlungsfähig. Zugleich stehen die Deutschen der Zuwanderung von Fachkräften mehrheitlich positiv gegenüber. Jedoch ist eine Mehrzahl der Meinung, Deutschland habe sich mit der Aufnahme von Flüchtlingen übernommen. 56 Prozent der Befragten plädieren dafür, vorerst keine weiteren Flüchtlinge mehr aufzunehmen.
- Eine Umfrage der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt, dass die Mehrheit der Deutschen gut integrierten Ausländern ein Bleiberecht einräumen will. Gleichzeitig zweifeln viele Befragte daran, dass die Regierung die Flüchtlingsproblematik lösen kann. Die wichtigsten Erkenntnisse der Befragung im Überblick.
Einstellung zur Einwanderung:
Wie die Studie der Ebert-Stiftung ergab, sind mehr als die Hälfte der Befragten (53 Prozent) der Meinung, dass Deutschland Einwanderung als Chance sehen sollte. Die einzige Gruppe, die deutlich dieser Meinung widerspricht, sind national orientierte Befragte. Hier sind fast zwei Drittel gegen Einwanderung, 23 Prozent sehen in ihr aber eine Chance.
Fachkräfte:
Das Bild verschiebt sich sogar im nationalen Spektrum bei Fachkräften. Zwei Drittel der Deutschen und deutlich mehr als ein Drittel (38 Prozent) national orientierter Menschen sind der Auffassung, dass ausländische Beschäftigte benötigt werden, um den Fachkräftemangel auszugleichen.
Spurwechsel:
Wenn es um den sogenannten Spurwechsel geht, dann ist sogar in allen Gruppen die Mehrheit dafür, gut integrierten Ausländern ein Bleiberecht in Deutschland zu geben. 78 Prozent der Deutschen und auch 63 Prozent der national Orientierten befürworten, dass ausreisepflichtige Ausländer, die gut integriert sind und einen Arbeitsplatz haben, in Deutschland bleiben können dürfen.
Problemlösung durch die Politik:
Große Zweifel haben die Deutschen an der die Fähigkeit der Politik, Migrationsprobleme zu lösen. Zwei Drittel glauben nicht, dass die Bundesregierung einen Plan hat, wie es mit der Flüchtlingsproblematik weitergehen soll. Das sehen fast alle Nationalen so, aber auch Angehörige der politischen Mitte und selbst die Mehrheit derer, die als weltoffen eingestuft werden.
Wirtschaftliche Teilhabe:
Die Studie legt einen Zusammenhang der Ablehnung der Ausländerpolitik der Regierung und der Wahrnehmung der eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse nahe. Vor allem national orientierte Menschen sehen sich als wirtschaftliche Verlierer. Der Aussage, sie profitierten nicht vom Wirtschaftsboom, stimmten sie zu 74 Prozent teils oder ganz zu. Von den Weltoffenen sagen das weniger als halb so viele. Interessant ist, dass selbst bei gleichen Einkommensverhältnissen national Orientierte sich deutlich häufiger als wirtschaftliche Verlierer einordnen als Weltoffene.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt:
Die Deutschen sorgen sich um den Zusammenhalt in der Gesellschaft. 79 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu: Der Zusammenhalt in der Gesellschaft geht verloren, jeder denkt nur noch an sich. Lediglich neun Prozent sehen das nicht so.
Größte Ängste:
Als größte Sorge im Zusammenhang mit der Flüchtlingsproblematik benennt eine deutliche Mehrheit – 86 Prozent aller Befragten und sogar 75 Prozent der national Orientierten – die Zunahme von Rechtsextremismus und rassistischer Gewalt. 81 Prozent sehen die Gefahr gesellschaftlicher Spaltung. Dahinter rangieren die Angst or Kriminalität und Terroranschlägen (73
Prozent), einem Einfluss des Islams auf die Gesellschaft (64) und vor den Kosten der Integration (61).
Die repräsentative Umfrage „Das pragmatische Einwanderungsland. Was die Deutschen über Migration denken“wurde unter rund 3000 Menschen Ende 2018 vom Politikberatungsinstitut Pollytix erhoben. Studienautoren sind Rainer Faus und Simon Storks.