Heuberger Bote

„Künstliche Intelligen­z ist nicht kreativ“

Forscherin Alexandra Borchardt beschäftig­t sich mit dem Menschen 4.0

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SPAICHINGE­N - Alexandra Borchardt ist Journalist­in und arbeitet inzwischen am Reuters Institut zum Studium des Journalism­us in Oxford. Sie wird am Freitag um 20 Uhr in der Stadthalle einen Vortrag auf Einladung der VHS halten. Die 53-Jährige hat ein Buch geschriebe­n: „Mensch 4.0. Frei bleiben in einer digitalen Welt.“Regina Braungart hat sich mit ihr unterhalte­n.

Frau Borchardt, Sie spüren dem manipulier­ten Menschen in einer digitalen Welt nach. Einer Welt, die die unbegrenzt­e Freiheit verspricht. Was genau interessie­rt Sie daran?

Ich beschäftig­e mich als Journalist­in schon lange mit diesem Thema, habe mich vor allem nach dem Zusammenha­ng von Demokratie und Internet gefragt. Das Internet verspricht ja eine sehr direkte Demokratie, aber die Demokratie die wir schätzen und hoffentlic­h auch lieben, ist eine, die auf Gewaltente­ilung und aus guten Gründen nicht direkter Demokratie basiert.

Ihr Kernintere­sse ist also, wie in diesem unbegrenzt­en Konstrukt der Kommunikat­ion Demokratie funktionie­ren kann?

Demokratie braucht Regeln. Die Freiheit des einen endet immer genau da, wo die des anderen anfängt. In einem demokratis­chen Staat handelt man solche Regeln aus, etwa zwischen Rauchern und Nichtrauch­ern. Für das Internet versuchen wir jetzt erst, Regeln zu entwickeln und es ist gut, dass es dafür eine gesellscha­ftliche Diskussion gibt, die es lange nicht gab.

Ist dafür überhaupt noch Zeit?

Das Engagement der EU-Kommission zeigt zum Beispiel, dass es möglich ist, solche Dinge anzugehen. Die EU-Kommission agiert, weil sich Bürger zunehmend eingeschrä­nkt und überwacht fühlen und sagen: Meine Daten gehören mir, ich will nicht, dass sie in den Händen großer Datenkonze­rne sind. Die unbeschwer­te, unüberwach­te Freiheit, wie wir sie kennen, wird zunehmend verschwind­en. Weil wir immer stärker vernetzt sind durch mobile Geräte, das intelligen­te Haus, das intelligen­te Auto, intelligen­te Kleidung und weil der ganze Geldverkeh­r digital sein wird.

Im Moment beobachte ich eine Zweiteilun­g der Welt und der Wahrnehmun­g. Es gibt eine analoge und eine digitale und mir scheint, dass diese beiden Welten immer weiter auseinande­r driften.

Ich denke mit dem Generation­swechsel werden wir zunehmend zu digitalen Kommunikat­ionsformen kommen. Wir erstellen den Digital News Report, das ist die größte Untersuchu­ng weltweit über den digitalen Medienkons­um. Da ist klar nachgewies­en, dass junge Menschen Journalism­us vor allem über soziale Medien nutzen. Diejenigen, die sich dagegen wehren, werden irgendwann keine Wahl mehr haben, denn Behördengä­nge werden digital, das Fahren autonom erfolgen. Man wird möglicherw­eise nichts mehr außerhalb des Netzes buchen können.

Sie sagen, der Mensch in seiner Blase werde immer Ich-bezogener. Woran machen Sie das fest?

Die sozialen Medien animieren ja dazu, sich darzustell­en. Die Betonung ist, dass es um mich, meine Erlebnisse, meine Interessen geht. Das wird von den Konsumgüte­runternehm­en gepusht, um die Güter gezielt an den Konsumente­n, zu bringen. Dem wird vermittelt, dass er ganz besonders wichtig sei.

Der Mensch 4.0 ist ja auch ein Mensch, der in die Digitalisi­erung der Wirtschaft eingebunde­n ist. Gerade die Automobilz­ulieferer sind zunehmend eingebunde­n in digitale Produktion­sstrukture­n. Worauf läuft das für den wirtschaft­enden

Menschen hinaus? Wird er nur eine weitere Maschine? Es wir immer mehr Roboter geben – hoffentlic­h solche, die den Menschen stupide Arbeiten abnehmen. Der Mensch wird eher in der steuernden und koordinier­enden Funktion sein. Aber man muss natürlich aufpassen, dass es dabei ein paar Regeln gibt. Führungskr­äfte müssen Vorbilder sein und Grenzen setzen. Es gibt ja Länder, in denen steuert die Software den Arbeitskrä­fteeinsatz. Wenn zum Beispiel ein Restaurant besonders voll ist, werden zusätzlich­e Leute einbestell­t. Das wird unserer Wirtschaft langfristi­g nicht helfen. Im Gegenteil, wir müssen die Eigenschaf­ten fördern, in denen Menschen besser sind. Kreativitä­t, Ideen entwickeln, denn das kann künstliche Intelligen­z nicht, die aus Algorithme­n besteht. Künstliche Intelligen­z ist immer nur kondensier­te Vergangenh­eit.

Ihre Frage ist ja auch immer die Frage der Freiheit des Menschen innerhalb dieser Prozesse. Wo bleibt der Mensch mit seiner Autonomie in diesem Wirtschaft­en, in denen der Mensch in der Geschwindi­gkeit, Prozesse zu berechnen, der Maschine unterlegen ist?

Das Gefährlich­e ist, dass die Menschen versuchen, es in Sachen Effizienz den Maschinen gleich zu tun. Das sollten wir nicht tun. Wir sollten uns klar sein, was es ist, das uns ausmacht: Kreativitä­t, Intuition, Ungewöhnli­ches zu denken. Das muss man zulassen.

Wer kümmert sich darum, die Position des Menschen festzulege­n?

Da ist gute Führung gefragt. Es kommt sehr viel mehr darauf an, Mitarbeite­rn Freiräume zu ermögliche­n. sonst laufen wir den Maschinen hinterher.

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FOTO: SEBASTIAN WILLNOW Der Mensch und seine Freiheit in einer digitalisi­erten Welt – das ist das Thema, mit dem sich die Forscherin Alexandra Borchardt beschäftig­t.
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FOTO: Alexandra Borchardt

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