Der Brexit ist vertagt, der Streit geht weiter
Einigung in London weiter unwahrscheinlich – Wirtschaft fordert Ende der Hängepartie
(dpa/AFP) Nach der Einigung des EU-Sondergipfels auf eine sechsmonatige Brexit-Verschiebung geht die politische Debatte um den EU-Austritt Großbritanniens unverändert heftig weiter. Die britische Premierministerin Theresa May sagte am Donnerstag im Parlament in London weitere Gespräche mit der Opposition zu. Labour-Chef Jeremy Corbyn gab sich kompromissbereit, beharrt aber weiter auf einem zweiten Referendum.
May und die 27 bleibenden EUStaaten hatten sich in der Nacht zum Donnerstag auf dem EU-Sondergipfel in Brüssel auf einen Kompromiss geeinigt: Der EU-Austritt soll nun bis zum 31. Oktober geordnet über die Bühne gehen. May will den EU-Austritt sogar vor dem 22. Mai abschließen, damit ihr Land nicht an der Europawahl teilnehmen muss. Dafür fehlt ihr jedoch weiter die Mehrheit. Das Unterhaus hat das Austrittsabkommen bereits dreimal abgelehnt.
Sie wolle den EU-Austritt umsetzen, für den die Briten vor fast drei Jahren bei einem Referendum gestimmt hätten, sagte May im Unterhaus. Erneut abstimmen zu lassen, sei keine Option. Corbyn übte scharfe Kritik an der Regierungschefin. Er nannte die erneute Brexit-Verschiebung einen „diplomatischen Fehler“und einen „Meilenstein des falschen Handelns der Regierung im ganzen Brexit-Prozess“.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte hingegen die Einigung in Brüssel, mit der der für Freitag befürchtete Chaos-Brexit noch einmal abgewendet wurde. Es sei „ein sehr intensiver, sehr guter Abend“gewesen, der die Einigkeit der EU gezeigt habe, betonte Merkel.
Vonseiten der deutschen Wirtschaft gab es dennoch Warnungen und Mahnungen – bei aller Freude über die Verhinderung eines harten Brexits ohne Abkommen, der ansonsten am heutigen Freitag fällig gewesen wäre. Mit einer Verlängerung der Hängepartie steige aber die Unsicherheit in der Wirtschaft weiter, sagte Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Für die Wirtschaft sei endlose Unsicherheit noch schlechter als schlechte Rahmenbedingungen. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer forderte ebenfalls die schnellstmögliche Ratifizierung eines Austrittsabkommens.